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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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tot, alle!« Er schloss die Lider, sei es, dass er ohnmächtig wurde, oder es ihm schwerfiel zu sprechen.
    »Da, trink!« Paul hielt ihm den Becher aus seiner Feldflasche hin. »Und dann mach, dass du fort kommst! Ich muss jetzt zu meinen Leuten. Es wird bald hell, und dann fahren wir weiter!«
    Er trank gierig, und als Paul die Flasche zuschraubte und sich erhob, machte er eine Bewegung, als wolle er ihn zurückhalten.
    Paul sah ihn erstaunt an.
    »Briederrchen!«, stammelte er. »Du von Gott gesandt, um mich zu retten … du mich mitnämen!«
    »Was willst du? Ich kann dich nicht mitnehmen!« Paul schüttelte den Kopf über so viel Einfalt. Bei diesen Russen, die oftmals eine Mischung verschiedener Völkerkulturen waren, vermengte sich manchmal Glaube mit diffusem Aberglauben und allerlei Hokuspokus. Der Verwundete ging auf die Knie und hob bittend die Hände. Erst jetzt sah Paul, dass er fast noch einen Jungen vor sich hatte. Die blauen Augen in dem geschwärzten Gesicht unter dem braunen, glatten Zottelhaar blickten ihn mit solcher Intensität und Dankbarkeit an, dass er ganz verlegen wurde.
    »Aber das geht doch nicht!«, sagte er ungeduldig. »Das wirst du doch verstehen, dass ich keinen Russen mitnehmen darf! Ihr seid unsere Feinde!«
    »Gefangenär, ich!«, beharrte der Junge. »Ich bleiben! Wenn gesund, dann arbeiten … Stiefel putzen, alles tun! Hier in Dorf, die anderen mich machen kaputt … « Er simulierte das Abdrücken einer Pistole: »Puff! Hassen alle deutsch Mann!«
    Paul, der nicht die geringste Ahnung hatte, warum der Junge dachte, seine Landsleute würden ihn töten, schüttelte den Kopf.
    »Dann hast du also Angst – vor deinen eigenen Mitkämpfern? Trotzdem kann ich dich nicht mitnehmen – es geht wirklich nicht!«
    Der enttäuschte Blick des Jungen ging ihm irgendwie nahe. Er wandte sich um und ging zum Waggon zurück. Doch wie von unsichtbarer Hand angehalten, blieb er plötzlich stehen. Ihm war etwas eingefallen. »Hmm … warte mal – eigentlich könnte ich tatsächlich Hilfe brauchen. Es gibt im Zug einen Verschlag, in dem ich mein Spezialgepäck aufbewahre … darum könntest du dich kümmern. Es ist sehr schwer, und du musst achtgeben, dass mir da keiner drangeht!« Er wusste selbst nicht, warum er das sagte, warum er ausgerechnet einem wildfremden Russenjungendie wertvollen Ersatzteile und Medikamente anvertrauen wollte, jemandem, der ihn jederzeit bestehlen und umbringen konnte! Was für ein Blödsinn! Trotzdem fuhr er fort. »Aber das ist ziemlich eng und unbequem! Schließlich bist du ja verwundet!«
    »Nix schlimm … bloß kleines bisschen wund!«, beteuerte der Junge, obwohl er um die Nase ziemlich blass aussah und sich der Verband rot gefärbt hatte. »Ist bald gut!«
    »Hmm!« Paul schwankte noch. »Schwörst du mir, keine schlechten Absichten zu haben?«
    Der Junge nickte begeistert und hob die gesunde Hand zum Schwur. »Bei heiligär Jungfrau Maria!«
    »Also gut, wie heißt du?«
    »Ich Sascha, Alexander Gregorowitsch Oberbuchski! Oberbuch deutscher Name!«, sagte er stolz und humpelte hinter Paul her, der von außen leise die Gepäckluke öffnete, in der noch genügend Platz für einen Mann war und in dem es sogar noch ein kleines Fenster zur Innenseite des Waggons gab. Er nahm frische Päckchen Verbandszeug aus seinem Rucksack, etwas Zwieback und ein paar Schmerztabletten und stellte ihm zusätzlich eine Reserveflasche mit Wasser in den Verschlag.
    »Davon schluckst du jetzt zwei. Bleib ruhig liegen, damit die Blutung aufhört. Und wenn du etwas brauchst, klopf dreimal an die Wand, hörst du? Halt deinen Kopf auf jeden Fall von dem Fensterchen fern, sonst schmeißen dich die anderen gleich raus!«
    Sascha nickte und kletterte mit leichten Schwierigkeiten hinein, während Paul die Öffnung hinter ihm zuriegelte und noch einen forschenden Blick auf die Lok warf. Sie schien repariert, war bereits wieder angekoppelt, und damit konnte die Fahrt sicher bald weitergehen. Am Horizont dämmerte bereits der Morgen herauf und die Vögel begannen zu zwitschern. Außer diesem Geräusch war nichts Verdächtiges mehr zu hören und zusehen, und über die Kameraden hatte sich jener bleierne Schlaf gesenkt, der nach einer halb durchwachten Nacht für die verlorene Zeit entschädigte. Alle ohne Ausnahme schnarchten sie um die Wette, als er die Tür des Waggons hinter sich zuzog und seinen Platz wieder einnahm. Niemand hatte ihn vermisst oder etwas von dem jungen Burschen

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