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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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blutig und grausam sein würde wie die letzte? Auf dem Papier schien alles so einfach – von der Krim, der glorreichen Eroberung von Sewastopol gleich weiter an einen anderen Schauplatz dieses weiten Landes! Aber wo war das Ende, wo führte überhaupt dieser Krieg hin?
    Ein leiser kalter Nachthauch, wie eine Ankündigung des baldigen Winters, strich über seinen schmerzenden Kopf und die heißen Lider, und er spürte, wie ihm die Augen langsam zufielen. Doch noch bevor er in einen leichten Schlaf sinken konnte, wurde er von einem Lichtblitz und einer darauf folgenden scharfen Detonation unsanft aufgerüttelt; einem Zerbersten und Knirschen von Eisen, das die bisher friedliche Nacht durchbrach. Er sprang auf, fuhr mit der Hand zur Waffe – doch es knallten bereits Schüsse in der Nähe, auf die Kampfgeschrei anstürmender Partisanen antwortete, die sich aus dem Hinterhalt auf den Transportwaggons stürzen wollten, um Waffen und Waren zu erbeuten.
    Maschinengewehrsalven der aufmerksamen Wachen ratterten durch die Luft, mähten einen Teil der Angreifer niederund schreckten die anderen zurück, die sich in wilder Jagd in die umliegenden Wälder flüchteten.
    »Verdammt!«, fluchte Paul und duckte sich tiefer in das hohe Gras. Die Waffe im Anschlag, kroch er nach einer Weile, in der alles wieder ruhig geworden war und der Mond hinter einer Wolke verschwand, aus der Senke. »Lästige Kerle! Warum lassen sie uns nicht einfach in Ruhe?«, brummte er zu sich selbst. Immer auf der Hut, nicht im Eifer des Gefechtes von einer Wache mit dem Feind verwechselt zu werden, schob er seinen Körper langsam voran. Als er sich im Schatten des Zuges erhob, stolperte er beim ersten Schritt über etwas Weiches am Boden, das leise aufstöhnte. Er packte fest zu und fasste in warmes klebriges Blut, das dem Mann, den er am Kragen hielt, aus einer Wunde lief und von dem sein Hemd halb durchnässt war. Sieh an, ein verletzter Partisan! Ihn halb zur Seite zerrend, hob er die Waffe, bereit abzudrücken. Diese Burschen verstellten sich manchmal, und im Zweifelsfall war es besser, gleich zu schießen, bevor man selbst dran glauben musste! Den Finger bereits am Abzug, zögerte er in dem Augenblick, als ein schwacher Strahl des Mondlichtes auf das Gesicht des Mannes fiel, in dem die vor Angst weit aufgerissenen Augen um sein Leben flehten. Er murmelte etwas auf Russisch, machte das Kreuzzeichen und hob die Hand. Paul hielt still, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
    »Briederchen, Gnade …«, stammelte der Verwundete jetzt auf deutsch, »erst mir das gäben …« Seine Augen wanderten hastig zu seiner Brust, wo unter dem an der Schulter blutgetränkten, halb offenen Hemd ein Rosenkranz mit einem Kreuz um seinen Hals hing. »Vor Starben.«
    Paul fühlte, wie seine Kehle eng wurde.
    »Bittä …«, bat die Stimme in einem beinahe kindlichem Ton, und Paul zog schließlich mit einem harten Griff den Rosenkranz unter seinem Hemd hervor. Der Verletzte drückte ihn sogleich inbrünstig an seine Lippen. »Jätzt du kannst schießen!«
    Er schloss mit einem hörbaren Aufatmen die Augen, während Paul auf ihn hinunterstarrte und langsam, mit einem tiefen Seufzer seine Waffe wieder in sein Koppel schob. Er hatte dem Feind eine Sekunde zu lang in die Augen gesehen, die Sekunde, in der ihm bewusst wurde, dass dieser auch nur ein Mensch wie er selbst war, sein Bruder. Er nahm das Bündel des Verwundeten und legte es unter seinen Kopf. Der schlug die Augen wieder auf, sah ihn erstaunt an und vergaß, seine Lippen weiter im Gebet zu bewegen. Reglos, fast ohne zu atmen, verharrten beide minutenlang in dieser Pose, bevor Paul sich auf die Knie niederließ und die Waffen des Mannes an sich nahm. Mit einer vorsichtigen Bewegung schob er sein blutiges Hemd beiseite. Ein unterdrücktes Ächzen zeigte, dass es sich möglicherweise um einen Einschuss im Schlüsselbeinbereich handelte. Die Kugel war jedoch nicht eingedrungen und ganz oberflächlich betrachtet, sah die Wunde eher nach einem Streifschuss aus. Er nahm zwei Verbandspäckchen aus seinem Rucksack und umwickelte mit festen Griffen die Schulter des Verletzten.
    »Wie kommt es, dass du deutsch sprichst?«, fragte er, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, einen feindlichen Partisanen mitten im Krieg in der weiten Steppe Russlands zu verbinden.
    »Meine Muttär … deutsch.« Von leisem Stöhnen unterbrochen, suchte der Verletzte nach den richtigen Worten. »Vatär deutsch! Gesiedelt hier! Alle

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