Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
bemerkt, der mit ihnen jetzt ins Unbekannte fuhr. Immerhin, wenn er sich als zuverlässig erwies, sein in mehrere schwere Säcke verschnürtes, wertvolles Gepäck für die Werkstattkompanie und das Lazarett gut bewachte, es schleppen half und sonstige kleine Dienste leistete, war er sicher gut zu gebrauchen! Aber war dieser Sascha wirklich ein in Russland angesiedelter Deutscher und so vertrauenswürdig, wie er beteuerte? Sein Gefühl sagte ja, sein Verstand bezichtigte ihn des grenzenlosen Leichtsinns. Aber wenn es nicht stimmte, konnte er ihn schließlich immer noch zum Teufel jagen!
Mit diesen und ähnlichen Gedanken döste er in halbem Wachzustand eine Weile vor sich hin, bis der Zug sich endlich wieder ruckelnd in Bewegung setzte. Vom monotonen Gerüttel eingelullt, schlummerte er jetzt fest ein.
Noch zweimal musste die Lok, die zur Sicherheit Steine vor sich her schob, erneut wegen Minenschäden mitten auf der Strecke anhalten, und wieder dauerte es einige Zeit, bis Maschine und Gleise repariert waren. Heimlich sah er dann durch die Luke, doch Sascha war noch da und zwinkerte ihm so vertrauensvoll zu, als würden sie sich schon seit langer Zeit kennen.
Nach einer ganzen, langen Woche kam Paul mit der neu zusammengestellten Truppe und dem blinden Passagier endlich im russischen Norden an. Aber welch neue Überraschung erwartete sie dort! Die Heeresleitung hatte schon wieder umdisponiert! Soldaten und Geschütze, Fahrzeuge und Gebrauchsartikel wurden auf schnellstem Wege auf andere Transportzüge umgeladen, und es gab ein neues Ziel: Leningrad, die schon seit Längeremheiß umkämpfte Stadt, in der man trotz hartnäckiger Belagerung nicht so gut vorankam, wie man es im Führerhauptquartier gerne gesehen hätte.
Die eintönige Fahrt begann aufs Neue, unter den gleichen Umständen. Der Russenjunge Sascha war dank seiner jugendlich kräftigen Konstitution schon bald wieder genesen. Seine Wunde war gut geheilt und hatte keinen größeren Schaden angerichtet. Keiner verstand so richtig, aus welchem Nest er überhaupt kam und ob er tatsächlich deutschstämmig war, aber man duldete ihn inzwischen als Maskottchen, als zugelaufene Hilfskraft, die zwar noch nicht beim Aus- und Umladen der schweren Geräte und Waffen helfen konnte, aber dem Koch der Division gut zur Hand ging und sich auch beim Stiefelputzen und anderen Besorgungen recht geschickt anstellte.
Schon bei der Ankunft der Deutschen am Bahnhof in Mga, einem kleinen Ort, gerieten die Soldaten beim Ausladeversuch ihrer Geräte und Waffen in heftigen Beschuss direkt aus dem Stadtkern von Leningrad. Die Kugeln flogen ihnen nur so um die Ohren, und Paul suchte im Getümmel beherzt unter den Güterwagen Deckung. Er streckte sich lang zwischen den Gleisen aus, Sascha tat es ihm nach, und so verharrten beide mit zusammengebissenen Zähnen über eine Stunde in der eingezwängten Lage, in den Ohren das Stöhnen der Getroffenen und außerhalb liegenden Verletzten, in das sich das Pfeifen der Geschosse mischte, die vorbeizischten und dicht neben ihnen und um sie herum einschlugen.
Erst als der Widerstand und das Feuer ein wenig nachließen, konnten die Sanitäter mit ihren Tragen die Verletzten einsammeln, und gemeinsam mit den Kameraden mühten sich die Soldaten nun mit vereinten Kräften, die übrigen Geschütze und Waffen im Schutz der Nacht so schnell wie möglich auszuladen.
Nach diesem heißen Empfang zog sich die frisch angekommene Division so weit wie möglich aus der Schusslinie in die Leningrad umgebenden Sümpfe, in sogenannte »Bereitstellung« zurück, und die Männer versuchten, soweit es die Umstände erlaubten, sich einigermaßen häuslich einzurichten.
Übermüdet starrte Paul unter seiner provisorischen Zeltplane in die unter einem grauen Himmel liegende Landschaft. Bei seinen Erkundigungen heute an der Front südlich von Leningrad hatte er die Stadt, geschützt von einem Netz von Feldbefestigungen, zum Greifen nahe vor sich gesehen. Auf der Newa konnte er sogar ein zerstörtes Panzerschiff erkennen und ganz in der Ferne drangen durch den Nebel die Spitzen der Isaak-Kathedrale und die Umrisse der Peter-Paul-Festung. Er zweifelte plötzlich daran, dass die Eroberung der Stadt so einfach sein würde, wie sich Hitler das vorstellte. Es hatte zu regnen begonnen – stetig und unablässig rann Wasser vom Himmel herab, und die grauen, nassen Schleier verwandelten das ganze Gebiet im Handumdrehen in eine schmutzig-graue Matschwüste, die wenig
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