Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
Ordnung?“, fragte ich, als sich auf Pauls Stirn eine gefährlich tiefe Falte bildete.
„Was meinst du?“ Er lief rot an und bestätigte meinen Verdacht.
„Kann es sein, dass du in Liana verliebt bist und dass es dir ganz und gar nicht gefällt, dass sie sich so gut mit Lennox versteht?“, fragte ich vorsichtig.
„Ja“, seufzte er, sichtlich froh, dass ich ihn darauf ansprach. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob Liana meine Gefühle erwidert und ich traue mich nicht so richtig, den Anfang zu machen. Was meinst du? Habe ich eine Chance bei ihr? Ich will unsere Freundschaft nicht zerstören.“
Ich runzelte nachdenklich die Stirn. Liana hatte sich nie über ihre Gefühle für Paul geäußert, was vermutlich bedeutete, dass sie über eine Freundschaft nicht hinausgingen. Trotz der Vertrautheit von Paul und Liana, hatte sich nichts zwischen ihnen entwickelt.
„Und außerdem fahren Liana und ihre Eltern am Sonntag ja eh erst mal ein paar Wochen in die Ferien und ich in den Urlaub. Wenn wir wieder in Schönefelde sind, fängt auch schon das Studium an. Wir hätten also eigentlich keine Zeit mehr. Du merkst schon, ich bin ziemlich durcheinander deswegen. Jetzt sag doch auch mal was, Selma!“
Was sollte ich da sagen? Liana fuhr schon am Sonntag weg und hatte mir bisher nichts davon erzählt. Eine unbeherrschbare Wut kochte in mir hoch, blitzte auf und verbrannte mit ihrem gleißenden Licht jeden rationellen Gedanken in meinem Kopf. Sie wollte garantiert wieder die kranke Cousine besuchen, die es vermutlich gar nicht gab. Liana hatte sich mit Sicherheit nicht getraut, mir die seltsame Geschichte schon wieder zu erzählen. Sie wusste, dass ich sie durchschaute. Ich blinzelte wütend zu ihr hinüber und als sie mich bemerkte, beendete sie das Gespräch mit Lennox und kam zu mir.
„Alles klar?“, fragte sie vorsichtig.
„Nein, es ist gar nichts klar.“ Meine Stimme bebte. „Du hast mir nicht erzählt, dass du am Sonntag wegfährst.“ Ich versuchte meine Wut zu zügeln, die mir den Blick immer stärker mit einem roten Nebel verschleierte.
„Ach, darum geht es.“ Liana konnte mir nicht in die Augen sehen. „Ich muss mit meinen Eltern nach Frankfurt, meine Cousine besuchen. Es geht ihr immer noch nicht besser. Warum bist du deswegen so sauer?“
„Wenn du nicht da bist, lässt mich meine Großmutter nicht mehr aus Schönefelde raus“, platzte es aus mir heraus. „Außerdem glaube ich dir die Geschichte mit der Cousine nicht.“ Paul verfolgte verständnislos unsere Diskussion. Anstatt einzuknicken, straffte Liana ihren Rücken.
„Ich weiß, dass dir nicht gefallen wird, was ich jetzt sage, aber zu deinem Geburtstag wirst du alles verstehen und glaube mir, es ist das Beste, wenn du die letzten Wochen bis dahin einfach nur genießt.“ Sie schnaufte und blickte zu Boden, während sie ernst und leise gesprochen hatte. Ich funkelte sie wütend an und beherrschte mich mühsam, sie nicht anzuschreien. Ich konnte es nicht mehr hören. Genieß die Zeit! Entspann dich! Als wenn ich ein dummes Kind wäre, dass die Welt noch nicht verstehen konnte.
„Mir reicht`s! Ich fahre heim“, quetschte ich mühsam hervor und stopfte wahllos meine Badesachen in die Tasche. Ich schäumte vor Wut. Es war die gesammelte Wut der letzten Jahre, die plötzlich in mir hochkochte, ohne dass ich sie noch kontrollieren konnte, aber genau in diesem Moment war mir das auch völlig egal. Ich wollte wütend sein und gab mir nicht einmal Mühe mich zu beherrschen. Das Gefühl des Eingesperrt Seins schnürte mir die Kehle zu. Seit Jahren ertrug ich es nun Schönefelde nur äußerst selten und nur in Begleitung verlassen zu dürfen. Als wenn mir meine Großmutter nicht zutraute, selbstständig auf mich zu achten. Ich wollte brüllen und irgendetwas zerschlagen, um mir Luft zu machen, aber ich war zu nicht mehr fähig, als einfach nur loszurennen.
„Warte, ich komme mit!“ Liana stolperte hinter mir her und beeilte sich, mir schnellstmöglich zu folgen. Ich stürmte los und wollte nur noch allein sein. Dieses ständige Bewachen ertrug ich nicht länger. Ich schwang mich auf mein Fahrrad und trat in die Pedale. Liana hatte keine Chance mir zu folgen, das wusste ich. Ich ließ die Wut in meine Beine fließen und kämpfte mich den Berg nach Schönefelde hinauf. Die Anstrengung brannte in meinen Oberschenkeln und ich genoss den Schmerz, während ich keuchend versuchte, das Tempo noch weiter zu erhöhen. Die nahende Dämmerung hatte
Weitere Kostenlose Bücher