Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
stieß dabei meine Kaffeetasse um, deren Inhalt sich schwarz über die Zeitung ergoss. Ich fluchte laut und versuchte, das Papier schnell zu trocknen, aber es war zu spät. Den Artikel konnte ich nicht mehr entziffern. Ich knüllte die Zeitung zusammen und stopfte sie in den Mülleimer. Dann rannte ich wutentbrannt aus dem Haus. Ich musste mich bewegen, um meinen Frust herauszulassen.
Es war ein heißer Tag und die schwülfeuchte Luft kündigte für den Nachmittag ein Gewitter an. Ich rannte die Steingasse entlang und bog dann in die Hauptstraße von Schönefelde ein. Heute hatte ich keinen Blick für die Schönheit der von Kastanien beschatteten Allee. Ich lief unter den Bäumen hindurch, die ihre Blüten bereits abgeworfen hatten. Das tägliche Radfahren und Schwimmen hatte mir gut getan. Trotzdem ich im Laufschritt unterwegs war, folgte ich ohne Anstrengung der Hauptstraße in ihrem halbkreisförmigen Verlauf. Sie war wenig belebt an diesem Samstagvormittag. An der Kreuzung, an der die Zufahrtsstraße die Hauptstraße traf und sich beide zu einem kleinen Platz vereinigten, der von hübschen, zweistöckigen Fachwerkhäusern umgeben war, hielt ich kurz inne, um zu verschnaufen. Ich sah Liana und Frau Goldmann im Laden an der Ecke stehen und mit einem Kunden sprechen. Ich überlegte kurz hinüberzugehen und hatte schon einen Schritt in diese Richtung getan, aber es fühlte sich nicht richtig an. Ich wollte Antworten und von Liana würde ich sie nicht bekommen. Es war falsch, sie in Schwierigkeiten zu bringen, indem ich mehr aus ihr herauspresste, als sie verraten durfte. Wenn mir jemand Rede und Antwort stehen musste, dann war es meine Großmutter. Ich warf einen letzten Blick auf Lianas blonden Wuschelkopf und drehte mich um, um die Hauptstraße weiter entlangzulaufen. In diesen Teil von Schönefelde kam ich selten. Es gab keine Geschäfte mehr, nur noch Wohnhäuser standen in ihren adretten Gärten. Das monotone Summen der Rasenmäher hing in der Luft. Ich blickte nach oben. Weit über mir, verdeckt von Wolken, lag Tennenbode, die kleine Privatuniversität. An den meisten Tagen des Jahres war sie nicht zu sehen, da sie von Nebel eingehüllt war. Die ursprüngliche Festung Tennenbode war auf einem steil aufragenden Massiv gebaut worden, um dass sich die Ortschaft Schönefelde U-förmig herumschlängelte. Man konnte das Massiv nicht komplett umfahren, da die Nordseite nicht besiedelt war. Zu Fuß müsste ich es schaffen, einmal um den Berg herumzulaufen und wieder bis nach Hause zu kommen. Eine Wanderung war die richtige Beschäftigung, um mir Luft zu machen und den Kopf frei zu bekommen. Ich lief weiter, bis die Hauptstraße endete und in einen Waldweg überging. Hier führte der Weg eine Weile am Massiv entlang, dass in einer seltsamen, schwarzen Farbe metallisch im Sonnenlicht schimmerte. Während ich den Weg entlangschlenderte, fiel mir auf, dass ich noch nie oben auf dem Massiv gewesen war. Die Bewerbungsgespräche mit Professor Espendorm hatten immer im Rathaus stattgefunden.
Die Bewegung tat mir gut. Ich spürte, wie sich meine Wut endlich legte, mein Zorn verpuffte und die Gedanken wieder geordnet durch meinen Kopf flossen. Der Wald umfing mich mit seinem hellgrünen Farbenspiel und ich fühlte mich geborgen. Ich fiel in einen leichten Laufschritt und folgte dem Weg, der sich immer mehr zu einem Pfad verengte tiefer in die grüne Höhle aus alten Buchen und Eichen. Das leise Summen von Autos, Menschen und ihren Zivilisationsgeräuschen verklang und nur noch die Geräusche des Waldes umgaben mich. Das leise Summen Tausender Insekten, das Zwitschern der Vögel und das zarte Rauschen des Windes in den Baumkronen beruhigten mich. Je weiter ich ging, umso dunkler wurde es und ich wusste, dass ich auf der Nordseite angekommen sein musste. Der Schatten des Massivs ließ die Sonne außen vor. Die Vegetation hatte sich an diesen Umstand angepasst. Immer häufiger sah ich dichte Farne und Efeu, der sich an den Baumriesen emporrankte. Jetzt wurde mir doch mulmig zumute. Ohne das Licht des Tages wirkte der Wald dunkel und bedrohlich. Selbst die Vögel, die bisher lautstark in den Baumkronen gelärmt hatten, schienen zusammen mit dem Licht zurückgeblieben zu sein. An einer kleinen Wegkreuzung bog ich links ab und hoffte, bald wieder auf einen breiteren Weg zu treffen. Laut meinem Gefühl musste ich die Nordseite schon überschritten haben und mich wieder auf dem Heimweg befinden. Ich passierte eine Ruine, die unter
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