Königsjagd
einen Bericht über mein Zusammentreffen mit Außenminister von Ribbentrop gemacht, wie Sie es wünschten.«
»Ja, ich habe ihn schon erhalten«, antwortete Heydrich ungeduldig. »Dann habe ich die Akte Windsor studiert, um mir eine Meinung zu bilden.«
»Und?«
»Es reichte nicht«, sagte Schellenberg. »Da hatte ich den Einfall, Admiral Canaris zu fragen, was er von der Sache hielte. Ich weiß zufällig, daß er am Donnerstagnachmittag gewöhnlich ausreitet, also fuhr ich zum Tiergarten und traf ihn dort.«
»Sie hatten keinerlei Befugnis, so etwas zu tun«, explodierte Heydrich. Himmler brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Was war Ihr Hauptgrund, das zu tun?« fragte er.
Schellenberg überlegte seine Antwort genau. »Eine schwierige Frage, Reichsführer. Eine delikate Sache.«
»Mein lieber Schellenberg, ich respektiere Ihre Zurückhaltung, aber in diesen vier Wänden gibt es nichts, was Sie nicht sagen könnten. Nicht nur, weil ich Ihr Reichsführer bin. Wir gehören alle drei zur SS. Wir sind Mitglieder einer Bruderschaft.«
»Los, Schellenberg«, sagte Heydrich. »Reden Sie.«
»Ich hatte den Verdacht, daß Reichsaußenminister Ribbentrop nicht ganz aufrichtig zu mir war. Es schien mir logisch, daß er sich zuerst an die Abwehr gewandt hätte, aber er erwähnte es nicht.«
»Ich verstehe.« Himmlers Stimme war jetzt sehr leise, und er lächelte seltsam befriedigt vor sich hin. »Und stimmt Ihre Vermutung?«
»Ich fürchte, ja.«
»Der verdammte kleine Klinkenputzer«, sagte Heydrich. »Regen Sie sich nicht auf, Heydrich. Noch ein Nagel für seinen Sarg. Fahren Sie bitte fort, Schellenberg. Was hatte der Admiral zu sagen?« Schellenberg berichtete und verschwieg nichts, denn es bestand keine Notwendigkeit dazu. Himmler machte sich ein paar Notizen auf einem Schreibblock. Schließlich legte er den Füllhalter hin. »Also... der Herr Admiral findet diese Operation nicht sehr vielversprechend?«
»Ich hatte den Eindruck.«
»Und Sie?«
Ein Schweigen trat ein, während die beiden auf seine Antwort warteten, und Schellenberg wußte, daß er jetzt auf gefährlichem Boden stand. Seine Worte mit Bedacht wählend, sagte er ruhig: »Herr von Ribbentrop stellte klar, daß der Auftrag auf ausdrücklichen Befehl des Führers durchgeführt werden soll. Er gab mir sogar die nötige schriftliche Vollmacht. Der Reichsführer wird verstehen, daß ich einen Führerbefehl nicht in Frage stellen kann. Meine persönliche Ansicht darf also keine Rolle spielen.« Heydrich wandte abrupt den Kopf, um sein Lächeln zu verbergen, aber Himmler war eitel Zustimmung. »Ich hätte es nicht besser ausdrücken können. Er trägt die Bürde für uns alle. Die Zukunft Deutschlands ruht auf seinen Schultern.«
Schellenberg sagte: »Sie wünschen also, daß ich diese Sache weiterbearbeite, Reichsführer?«
»Selbstverständlich. Wir werden Vorbereitungen treffen, daß Sie nach Lissabon fliegen, ich denke, über Madrid. Eine Unterredung mit unserem Botschafter in Spanien, Herrn von Strobel, wäre sicher ganz nützlich.« Heydrich trat vom Fenster. »Noch etwas, Reichsführer. In Lissabon wimmelt es von Geheimagenten aller Nationalitäten, und Brigadeführer Schellenberg wird manchem von ihnen bekannt sein. Ich habe hundertprozentiges Vertrauen in seine Fähigkeit, sich gegen Frontalangriffe zu verteidigen, aber ich denke, er braucht ein bißchen Rückendeckung. Mit Ihrer Erlaubnis werde ich zwei oder drei meiner besten Männer abstellen.«
»Nicht nötig«, erwiderte Himmler. »Ich kümmere mich selbst darum. Ich bin sicher, wir haben genau die Experten, die wir brauchen.«
»Wie Sie meinen, Reichsführer.«
»Gut. Sie können jetzt gehen, Schellenberg. Sie haben sicher noch einiges vorzubereiten. Ich muß noch ein paar Worte in einer anderen Sache mit Ihnen reden, Heydrich.«
Schellenberg ging schnell hinaus und kehrte in sein Arbeitszimmer zurück. Er schwitzte ein wenig und griff nach einer Zigarette. Einen Augenblick später kam Frau Huber mit einer Tasse Kaffee herein. »Sehen Sie, Ilse?« Er lächelte. »Ich habe Ihnen ja gesagt, daß kein Grund zur Sorge besteht.« Als er die Tasse an die Lippen führte, zitterte seine Hand.
Wie immer nach solchen Vorkommnissen mußte Schellenberg sich irgendwie betätigen. So ging er jetzt zu dem Schießstand im Keller, der von einem Scharführer namens Reitlinger betreut wurde. Die Ziele an den Sandsäcken am
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