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Königsjagd

Königsjagd

Titel: Königsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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sagte er. »Auf fünfzig Schritt beide Augen. Können Sie mir das beibringen?«

      »Ich fürchte, nein, Obergruppenführer«, antwortete Reitlinger. »Es ist kein Talent, das man lernen kann. Entweder man hat es, oder man hat es nicht.«
      »Na schön«, sagte Heydrich. »Er steht auf meiner Seite.« Er machte die Tür auf und lächelte. »Ich hoffe es wenigstens.«

    4

    Lina Heydrich verbrachte den Sommer in einem hübschen Strohdachhaus auf Fehmarn, das ihr Mann 1935 für sie hatte bauen lassen. Er blieb in ihrem Berliner Haus im bevorzugten Stadtteil Zehlendorf, am Rand des Grunewalds, wo er von einer Köchin und einer Haushälterin versorgt wurde.
      Schellenberg holte Heydrich um halb neun mit einem Mercedes der Sonderabteilung ab, in dem vorn, hinter einer Trennscheibe, zwei uniformierte SS-Männer saßen. Einer zum Fahren und einer jederzeit schußbereit, wie Heydrich, der Wildwestfilme liebte, zu sagen pflegte. Während sie zum Stadtzentrum fuhren, wirkte Heydrich mürrisch und mißgestimmt.
      »Onkel Heini«, sagte er, Himmler mit dem respektlosen Spitznamen bezeichnend, unter dem er in der ganzen SS bekannt war, »hatte leider nicht die Güte, auf meinen Vorschlag mit den SS-Begleitern für Sie einzugehen. Wenn ich mich nicht sehr irre, werden Sie ein paar von seinen Totschlägern von der Gestapo am Hals haben.«

      »Die ihn dreimal täglich anrufen werden, um jeden meiner Schritte zu melden. Ja, ich bin mir klar, was das heißt«, antwortete Schellenberg. »Ich weiß nicht, warum, aber ausgerechnet jetzt, wo alles zum besten steht, habe ich das Gefühl, daß es nicht mehr lange so bleiben wird... daß es bald schlecht laufen wird - für uns alle.«
    »Und weshalb?«

      Heydrich zögerte, beugte sich vor, um zu prüfen, ob die dicke Glasscheibe, die sie von den beiden Männern vorn trennte, fest geschlossen war. »Im Vertrauen, streng im Vertrauen, Schellenberg; ich habe gewisse Zweifel am Unternehmen Seelöwe.«
      »Sie meinen, Sie glauben nicht, daß die Invasion Englands stattfinden wird?«
      »Ich habe das dumme Gefühl, daß wir den richtigen Augenblick verpaßt haben. Offen gesagt, war der Entschluß des Führers, die Panzer am Aa-Kanal in Belgien zu stoppen, so daß die Überreste des britischen Expeditionskorps aus Dünkirchen flüchten konnten, ein Fehler allererster Ordnung. «
    »Und jetzt?«
      »Rußland. Ich glaube, er denkt neuerdings immer mehr an Rußland. Ich habe allen Grund anzunehmen, daß er schon einen Ersatzplan in petto hat.«

    »Und Sie halten das nicht für eine gute Idee?«
    »Sie vielleicht?«

      Schellenberg zuckte die Achseln. »Zum Glück brauche ich derartige Entscheidungen nicht zu treffen. Wenn Sie meine Meinung hören wollen, dann würde ich sagen, daß das Problem eines Rußlandfeldzugs nicht unbedingt nur die Rote Armee ist. Das Problem sind die unendlichen Entfernungen, die Nachschublinien, die Tausende von Kilometern lang sein müssen, die kalten Winter. Sie brauchen bloß daran zu denken, was mit Napoleon geschah.«

      »Ich weiß«, sagte Heydrich. »Ich habe schon Alpträume deswegen.«

      Sie hatten den Kurfürstendamm erreicht, und Heydrich kurbelte das Seitenfenster hinunter und blickte hinaus. »Berlin ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Ich war neunzehnhundertdreißig zur Premiere des Blauen Engel im Gloria-Palast - was für eine Sensation! Und als die Dietrich danach an die Rampe trat, wurde das Publikum verrückt. Glauben Sie mir, Schellenberg, diese Beine waren wirklich das achte Weltwunder. «

    »Kann ich mir vorstellen«, sagte dieser trocken.
      »Aber Sie können sich nicht vorstellen, wie diese Stadt damals war. Es gab den Ringverein, der nur Leute aufnahm, die mindestens drei Jahre hinter Gittern gesessen hatten. Es gab die Silhouette, das Immertreu und das Paradies, wo die schicksten Transvestiten verkehrten, tolle Fummel, hochhackige Schuhe, Lippenstift. Nicht daß ich jemals in diese Richtung tendiert habe.«
    Schellenberg sagte nichts, steckte sich nur eine neue Zigarette an und ließ ihn weiterreden.
      »Ich kann nur hoffen, daß dieser Garden Room und Ihre Hanna Winter uns einen amüsanten Abend verschaffen. Es wäre eine willkommene Abwechslung.«

      Hanna hatte sich bereits zur ersten Show umgezogen und verließ die Garderobe, um Onkel Max zu suchen, den sie seit gestern abend nicht mehr gesehen hatte. Sie fand ihn in seinem Büro über den Büchern. Sie gab ihm einen Kuß auf den

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