Königsjagd
passiert. Es ist eine Art Flucht nach innen.«
»Dann müssen wir sie in die Wirklichkeit holen. Sie gehen jetzt und sehen nach, wie weit sie mit der Neumann sind. Ich komme auch gleich.« Berg ging hinaus, und Heydrich beobachtete sie, während sie sich langsam und methodisch, immer noch mit jenem eigenartigen leeren Ausdruck im Gesicht, anzog. Sie hat wirklich einen schönen Körper, ging es ihm durch den Kopf. Als sie sich hinsetzte, um die Strümpfe überzustreifen, fühlte er eine heftige Erregung in sich aufsteigen.
Schellenberg betrat Himmlers Büro. Der Reichsführer blickte auf. »Nun, ich glaube, ich habe Ihnen einen Dienst erwiesen, als ich Sie von der Sache Winter entband.«
»So sollte es scheinen, Reichsführer.«
»Unter normalen Umständen hätten sicher Sie das Einsatzkommando geleitet, das den Garden Room gestürmt hat. Jetzt hat der kommandierende Mann ein Disziplinarverfahren am Hals. Eine leidige Geschichte.«
»Da stimme ich zu.«
»Drei Tote. Zwei Verwundete. Eine sehr begabte junge Agentin. Sie haben sich offensichtlich in ihr geirrt.«
Schellenberg gab die Antwort, die Himmler erwartet hatte: »Ich fürchte, ja, Reichsführer.«
Himmler fuhr fort: »Eine kleine Demütigung ist ab und zu gut für den inneren Schweinehund, aber ich habe Sie nicht kommen lassen, um darüber zu sprechen. Ich habe die zwei Gestapo-Männer ausgesucht, die Sie als Leibwächter nach Lissabon begleiten sollen.«
Er sagte ein paar Worte in die Muschel des Hausapparats. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet, und zwei Männer traten ins Zimmer. Sie waren beide groß und kräftig und trugen ziemlich unscheinbare graue, konventionell geschnittene Anzüge. Der eine hatte eine Glatze, und der andere trug eine Brille. Schellenberg kannte sie zwar nicht, aber sie waren ihm trotzdem auf den ersten Blick vertraut, denn die Sicherheitsdienste des Reichs waren voll von Männern dieses Typs. Ehemalige Polizeibeamte, die es mehr gewohnt waren, sich unter Kriminellen zu bewegen als unter anderen Leuten.
»Sturmbannführer Kleiber«, sagte Himmler, und der Mann mit Brille schlug die Hacken zusammen. »Scharführer Sindermann. Sie kennen sicher Brigadeführer Schellenberg.«
»Sehr angenehm, Brigadeführer.« Kleiber streckte unbekümmert die Hand aus.
»Ich habe Sturmbannführer Kleiber bereits über den Zweck Ihrer Reise nach Lissabon unterrichtet«, sagte Himmler. »Ich habe ihn übrigens für diesen Auftrag ausgewählt, weil er fließend Portugiesisch spricht. Er hat vor dem Krieg drei Jahre lang als Sicherheitsmann in unserer Botschaft in Lissabon gearbeitet. Seine Ortskenntnisse werden Ihrem Vorhaben sehr zugute kommen.«
»Da bin ich sicher«, sagte Schellenberg.
»Und jetzt schlage ich vor, daß Sie ihm Ihren Führerbefehl zeigen. Damit er genau weiß, wo er steht.«
Schellenberg holte das Dokument aus seiner Brieftasche und reichte es Kleiber. Der Sturmbannführer las es mit ausdruckslosem Gesicht, zeigte es Sindermann und gab es dann zurück.
»Meine Herren, ich hoffe, Sie haben verstanden. Jeder Befehl, den Sie von Schellenberg bekommen, ist ein Befehl vom Führer selbst.«
»Jawohl, Reichsführer.«
»Ausgezeichnet.« Himmler lächelte Schellenberg zu. »Sie können jetzt gehen. Ich nehme an, Sie müssen vor der Abreise noch Ordnung auf Ihrem Schreibtisch schaffen. Vorbereitungen treffen.« Schellenberg zog sich zurück, wohl wissend, daß Himmler ihn einfach auf höfliche Weise loswerden wollte, um Kleiber noch Sonderinstruktionen zu geben.
»Sind Sie religiös, Kleiber?«
»Eigentlich nicht, Reichsführer.«
»Brigadeführer Schellenberg ist es. Er ist streng katholisch erzogen worden. Leute wie er lassen sich in ihrer Einstellung oft von moralischen Gesichtspunkten leiten, was ihre Urteilskraft manchmal vernebelt. Sie finden den Menschen wichtiger als die Sache - verstehen Sie, was ich meine?«
»Jawohl, Reichsführer.«
»Ich hoffe es. Wie ich Ihnen bereits erklärt habe, scheint der Brigadeführer bei der Affäre Winter mehr an die junge Frau zu denken als an den Schaden, den die Tätigkeiten ihres Onkels dem Reich verursachten. Brigadeführer Schellenberg ist, um der Wahrheit die Ehre zu geben, ein hervorragender Offizier. Auf dem Gebiet der Gegenspionage gibt es wahrscheinlich in ganz Europa keinen Mann, der es mit ihm aufnehmen könnte. Ich habe jedoch den Eindruck, daß ihm dann und wann eine gewisse Überzeugung abgeht, und seine
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