Königsjagd
sein.
Hanna schwang die Erma instinktiv herum und betätigte den Abzug. Sie hatte noch nie in ihrem Leben eine Schußwaffe abgefeuert, und die Erma war in ihren Händen wie ein lebendes Wesen, riß Putz von der Wand, trieb die Männer hinaus in den Gang.
Sie feuerte krampfhaft weiter, und der Rückstoß der Maschinenpistole war so heftig, daß sie gegen Onkel Max fiel, als er die Gittertür gerade geöffnet hatte. Er verlor das Gleichgewicht und rutschte die Holztreppe hinunter.
Hanna hatte die Erma fallen lassen. Sie lag jetzt auf den Knien und schrie: »Onkel Max, hast du dic h verletzt?« Sie sah, wie er aufstand. »Schnell!« rief er.
Eine Hand packte ihren rechten Knöchel, als sie versuchte aufzustehen. Sie drehte sich halb um und sah den jungen Mann mit den strahlendblauen Augen, der sich auf allen vieren, das blonde Haar blutverschmiert, zu ihr zog.
»Du entwischst uns nicht, du verdammte jüdische Hexe.« Er boxte sie in den Bauch. Hinter ihm kamen SS-Männer in den Flur gelaufen.
Max konnte nichts anderes tun, als sich umdrehen und in den nächsten Keller taumeln, voll Dankbarkeit darüber, daß er überhaupt noch imstande war, sich auf den Beinen zu halten. Er schloß die massive Eichentür, schob den doppelten Stahlriegel vor und ging dann zu den Weinregalen. Hinter ihm wurde an die Tür geschlagen, aber sie kamen zu spät, denn er hatte diese Situation vorausgesehen und alle Maßnahmen getroffen. An der hinteren Wand des dritten Kellerraums stand ein Schrank. Darin befanden sich ein Hut, ein Regenmantel, eine große Taschenlampe und eine Aktentasche mit Geld in verschiedenen Währungen. Er zog den Mantel an und schob den Schrank zur Seite, so daß ein großes Loch in der Backsteinmauer sichtbar wurde. Er nahm die Taschenlampe und die Aktentasche und zwängte sich hindurch, drehte sich um und zog den Schrank wieder vor das Loch.
Nun war er im Keller eines leerstehenden Lagerhauses an der Rückseite des Clubs, das jetzt schon seit drei Jahren nicht mehr benutzt wurde und auf den Abbruch wartete.
Einige Minuten später entriegelte er eine Tür, hinter der eine Treppe in einen kleinen Hof führte, der mit altem Gerumpel übersät war. Er öffnete das Tor und spähte hinaus. Der schmale Gang war menschenleer. Er ging hinaus, machte das Tor hinter sich zu und entfernte sich mit schnellen Schritten.
Zu dieser Stunde hatten der Herzog und die Herzogin von Windsor in Estoril Besuch von Ramajo de Alvarez, Marques von Oropeso, der früher einen einflußreichen Posten in der spanischen Regierung gehabt hatte. Er war eigens von Madrid gekommen, um sie zu sehen.
Als die Diener die neben dem Swimmingpool aufgebaute Mittagstafel abräumten, holte de Alvarez seine Uhr heraus.
»In guter Gesellschaft vergeht die Zeit immer viel zu schnell. Ich furchte, ich muß Sie bald verlassen. Ich muß noch heute wieder zurück nach Madrid, da ich morgen unaufschiebbare offizielle Verpflichtungen habe.«
»Wie schade«, sagte die Herzogin.
Ramajo de Alvarez lächelte und sagte dann zum Herzog: »Ob Eure Königliche Hoheit mir vielleicht kurz Gehör schenken würden, bevor ich gehe? Unter vier Augen?«
Der Herzog blickte etwas überrascht auf, lächelte dann aber höflich wie immer. »Ja, warum nicht? Es wird nicht lange dauern, Wallis.« Es dauerte allerdings eine halbe Stunde, bis sie wieder zurückkamen, und dann verabschiedete de Alvarez sich sofort. Er küßte der Herzogin die Hand, versprach, bald wiederzukommen, und entfernte sich. Der Herzog zündete sich eine Zigarette an und schritt zum Rand der Terrasse, wo er sich auf die marmorne Brüstung stützte und die Stirn runzelte, während er auf das Meer schaute. Sein Gesicht war besorgt. »Was war denn los?« fragte sie.
»Mir schwirrt immer noch der Kopf. Es war wirklich sehr ungewöhnlich. Er hatte aus offiziellen Quellen gehört, daß man mir den Gouverneursposten auf den Bahamas angeboten hat. Er hat sogar mit Franco darüber gesprochen.«
»Aber warum, David?«
»Weißt du, Wallis, er drängte mich, den Posten nicht anzunehmen. Er sagte, ich könnte vielleicht noch eine entscheidende Rolle in England spielen. Dann schlug er sogar vor, wir sollten besser nach Spanien gehen. Man würde uns offiziell willkommen heißen.«
»Würdest du das lieber tun?«
»Ich denke nicht. Siehst du, im Augenblick deutet alles darauf hin, daß die Spanier nicht die Absicht haben, auf der Seite der Nazis in
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