Königsjagd
spanische Regierung. Er meint, daß ich ihm lediglich die Instruktionen Francos weitergebe.«
»Wollen Sie damit sagen, daß für ihn nur das persönliche Wohl des Herzogs zählt?«
»Genau. Die beiden sind, wie gesagt, alte Freunde. Der Herzog mußte seinen Paß bei der britischen Botschaft in Lissabon hinterlegen. Es ist inzwischen kein Geheimnis mehr, daß er keine große Lust hat, Gouverneur der Bahamas zu werden. Er weiß natürlich, daß man ihn möglichst weit vom Schuß haben will. Es wäre begreiflich, wenn er den unbedeutenden Posten als eine Beleidigung auffaßt. Höchstwahrscheinlich wird er vom Secret Service diskret überwacht.«
»Was hat de Alvarez ihm nun vorgeschlagen?«
»Daß er nach Spanien geht, wo die Regierung Franco ihm mit Freuden Asyl gewähren würde, und dort den weiteren Lauf der Ereignisse abwartet. «
»Und denkt de Alvarez, die Briten würden untätig zuschauen, wenn die Windsors ihre Siebensachen packen und abreisen?«
»Nein. De Alvarez ist gestern wieder nach Lissabon gereist, um den Herzog in Estoril aufzusuchen. Er beabsichtigt, eine Landpartie oder etwas ähnliches in einer günstigen Gegend nahe der Grenze zu arrangieren. Einen Jagdausflug mit alten Freunden. Eine gute Gelegenheit, die der Herzog und seine Frau benutzen können, um das Land zu verlassen, ehe die Briten oder irgend jemand anders merken, was gespielt wird.«
»Und wenn sie nicht wollen?«
»Dann müssen Sie eben eingreifen, mein lieber Schellenberg«, sagte von Strobel.
Schellenberg nickte. »Ich verstehe. Entführen. Und de Alvarez ist sich dieser Möglichkeit bewußt?«
»Nein«, gab Serrano Suner zu. »Wie ich eben sagte, handelt der Marquis einzig und allein aus Sorge um das persönliche Wohlergehen seines alten Freundes. Ich sollte vielleicht noch darauf hinweisen, daß in bestimmten Kreisen der spanischen Gesellschaft im Augenblick das Gerücht umläuft, der britische Secret Service wolle den Herzog liquidieren, sobald er auf den Bahamas eingetroffen ist. Der Marquis wird dem Herzog diese Information selbstverständlich nicht vorenthalten.« Schellenberg lachte laut auf. »Und Sie meinen im Ernst, daß er es glauben wird?«
»Ich habe es auch von Reichsaußenminister von Ribbentrop gehört«, sagte von Strobel steif. »Ein Bericht von einem Schweizer Informanten, der seit vielen Jahren die allerbesten Kontakte zum Secret Service hat.«
»Der Marquis wird morgen zurückkehren und uns alle Einzelheiten über den Jagdausflug, das Datum und den Ort nennen«, erklärte Serrano Suner. »Ich werde sie sofort an von Krotzingen-Boerne, Ihren Gesandten in Lissabon, weitergeben, und er wird Sie anschließend unterrichten.« Ein Diener trat durch eine der Fenstertüren und verbeugte sich. »Berlin ist am Apparat, Exzellenz.«
»Entschuldigen Sie mich bitte, meine Herren. Ich bin gleich wieder da.« Von Strobel trat ins Haus, und Serrano Suner bot Schellenberg eine Zigarette an. »Sie scheinen an dem Bericht des Schweizers über die Pläne des Secret Service zu zweifeln?«
»Eine der Schwierigkeiten unseres Berufes besteht darin, Dichtung von Wahrheit zu trennen«, erwiderte Schellenberg. »Oder, was noch problematischer ist, die falschen Bestandteile auszuloten, damit man wenigstens den Bodensatz von Wahrheit herausfiltert, den eine Nachricht enthält.«
»Sie denken, der Schweizer könnte lügen?«
»Es gibt in jeder europäischen Hauptstadt Männer wie ihn. Ich sehe ihn förmlich vor mir, wie er in irgendeinem Genfer Cafe in der Ecke hockt, eine Flasche Wein vor sich, und darüber brütet, mit welcher Geschichte er seine Auftraggeber diese Woche zufriedenstellen kann.«
Der spanische Außenminister erwiderte: »Brigadeführer Schellenberg, ich kenne den legendären Ruf, den Sie auf Ihrem Gebiet genießen, und möchte Ihnen deshalb nichts verheimlichen. Für uns in Madrid gibt es nur einen einzigen Grund, die Operation Windsor erfolgreich abgeschlossen zu sehen - wir wollen der deutschen Regierung einen Gefallen tun.«
»Warum sollte das ausgerechnet jetzt so wichtig sein?« fragte Schellenberg, der die Antwort ahnte, es aber vorzog, die Karten offen auf dem Tisch zu haben.
»Der Führer würde es sehr begrüßen, wenn Spanien an der Seite des Reichs in den Krieg einträte. Er ist der Meinung, wir schuldeten es ihm, und sei es nur deshalb, weil wir unseren Sieg über die Kommunisten nicht zuletzt der massiven militärischen
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