Königsjagd
fertig!«
»Öffnen Sie, oder wir brechen die Tür auf«, erwiderte Kleiber scharf. Connie löste das Ende der Kette aus der Halterung. Kleiber drängte sich hinein, stieß ihn bis ans andere Ende des Abteils, ans Fenster, und Sindermann und Ehrlich zwängten sich ebenfalls in den engen Raum. Als erstes sahen sie vier zuckende schwarze Beine auf dem unteren Bett rechts, und die Hände von Harry Graf, die sich in Billy Joes Gesäßbacken gruben.
Harry sagte: »Mach mal kurz Pause, wir haben Besuch!« Billy Joe drehte sich um, wandte den drei Männern von der Gestapo seine ganze Blöße zu. »Ich dachte, wir hätten Erste Klasse bezahlt, damit wir nicht gestört werden.«
Kleiber starrte sie mit bleichem Gesicht an. Er trat die Tür zum Waschraum auf, warf einen Blick hinein, ging dann wieder in den Korridor. Die anderen folgten ihm, und Connie schlug hinter ihnen die Tür zu. »Kann der Zug jetzt fahren?« fragte der Schlafwagenschaffner. »Nein«, antwortete Kleiber. »Erst wenn wir jeden einzelnen Reisenden unter die Lupe genommen haben.«
Sie arbeiteten sich bis ans andere Ende des Zuges zurück, prüften jedes Abteil, mußten den Fehlschlag dann aber eingestehen. Als der Pfiff zur Abfahrt ertönte, sah Kleiber, der sich an der Sperre umgedreht hatte, wie Connie sich aus dem Fenster des Korridors beugte. »Auf bald!«
Er winkte fröhlich und verschwand wieder im Inneren des Zugs. Der Schlafwagenschaffner kam den Flur entlang, und Connie holte seine Brieftasche heraus und entnahm ihr zwei Hundert-Franc-Scheine. »Sorgen Sie bitte dafür, daß das vierte Bett den Rest der Fahrt frei bleibt, ja? Meine Freunde und ich... nun, wir wären gern ungestört.«
Der Schaffner ließ die Scheine schnell in der Tasche verschwinden. »Gewiß, Monsieur, und wenn ich sonst noch etwas für Sie tun kann? Diese Boches.« Er zuckte die Achseln. »Kein savoir vivre, nicht?«
Als Connie wieder das Abteil betrat, saßen Harry und Billy Joe, die sich beide ein Handtuch um die Taille gewickelt hatten, auf dem Bett links, gegenüber von Hanna. Alle drei lachten aus vollem Hals.
»Das Gesicht, das dieser Kerl gemacht hat«, sagte Harry. »Ich würde etwas drum geben, wenn ich ein Foto davon hätte.«
»Ruhe, Kinder, der Spaß ist vorbei.« Connie setzte sich neben Hanna und nahm ihre Hand. »Ich habe eine schlechte Nachricht für dich, Kleines. Sie betrifft Onkel Max...«
Die Ju 52 ging auf 4500 Meter und nahm Kurs auf San Sebastian, wo sie auftanken wollten. Kleiber saß jetzt Schellenberg gegenüber und machte ein angewidertes Gesicht.
»Was für eine Dekadenz. Der Führer hat recht. Die Minderwertigkeit dieser Rassen - ob Juden oder Neger - liegt klar auf der Hand.«
»Sehr interessant«, erwiderte Schellenberg, sich eine Zigarette anzündend.
»Wie bitte? Was meinen Sie?«
»Daß sie andersrum sein sollen, die beiden Jungen. Es ist natürlich möglich, aber nach allem, was Hanna Winter mir erzählte, haben sie in ihrer Freizeit nichts als Frauen im Kopf gehabt.«
Kleiber starrte ihn an, und sein Gesicht wurde noch bleicher, als ein schrecklicher Verdacht in ihm erwachte.
Schellenberg lächelte freundlich. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden? Ich denke, ich gehe auf einen kleinen Plausch zu unserem Piloten.« Und er erhob sich und schritt zur Kanzel.
8
Der Zug hatte ziemlich lange Aufenthalt in der Grenzstadt Hendaye, weil die Wagen aufgebockt und mit anderen Radgestellen versehen werden mußten, um sie der schmaleren spanischen Spur anzupassen. Der Zoll kam auf der spanischen Seite der Grenze, in Irún. Hanna blieb im Waschraum, als ein Zöllner mit dem Schlafwagenschaffner erschien, um die Pässe zu prüfen.
Kurz darauf ging es weiter. Sie trat wieder ins Abteil und legte sich auf eines der unteren Betten, mit roten, verweinten Augen. Billy Joe und Harry saßen da und wußten nicht, was sie sagen sollten. Nach einer Weile kehrte Connie mit Sandwiches und Kaffee aus dem Speisewagen zurück und nahm neben ihr Platz.
»Hier ist etwas zu essen. Es wird dir guttun.«
»Ich kann nicht.«
»Du mußt dich jetzt zusammenreißen«, sagte er.
»Du verstehst das nicht.«
»Wirklich nicht? Nun hör mir mal gut zu, kleine weiße Schwester. Dieser Nigger hat neunzehnachtzehn mit der Harlem-Brigade an der Westfront gedient. Wir lagen länger in den Schützengräben als irgendeine andere Einheit der amerikanischen Truppen. Ich verlor meinen
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