Königsjagd
Unterstützung verdanken, die Deutschland uns gewährte.«
»Aber da ist noch etwas anderes?«
»Ja. Im Augenblick hat Großbritannien noch einen großen Trumpf - seine Flotte. Wenn wir uns zum Krieg entschlössen, würde Deutschland Gibraltar in die Hand bekommen und den Engländern vermutlich einen lebensbedrohenden Schlag zufügen, indem es ihnen den Zugang zum Mittelmeer verwehrt.«
»Was würde General Franco als Gegenleistung verlangen?«
»Waffen, Benzin, Konsumgüter, die in unserem Land wegen der verheerenden Auswirkungen des Bürgerkriegs überaus knapp sind. Außerdem die französischen Kolonien in Nordafrika, besonders Marokko und Westalgerien. Verstehen Sie die Situation jetzt?«
»Genau«, antwortete Schellenberg trocken. »General Franco ist bereit, auf unserer Seite in den Krieg einzutreten, aber erst, nachdem Unternehmen Seelöwe mit der erfolgreichen Besetzung Englands geendet hat. Er will die momentanen Gespräche möglichst in die Länge ziehen - bis jener positive Ausgang erreicht ist. Die Entführung des Herzogs von Windsor, die mit den Wünschen des Führers in Einklang steht, soll inzwischen demonstrieren, daß Ihr General das Herz am richtigen Fleck hat. Auf diese Weise sind alle zufrieden.«
Serrano Suner lächelte strahlend. »Ich hätte es nicht besser sagen können. Ich sehe, wir verstehen uns, und um ganz offen zu sein, will ich Ihnen noch gestehen, daß ich der Ansicht bin, Sie werden den Herzog entfuhren müssen. Ich glaube nicht, daß Seine Königliche Hoheit aus freien Stücken nach Spanien gehen wird.«
»Haben Sie einen Grund für diese Annahme?«
»Ja. Als der Herzog und die Herzogin kürzlich in Madrid weilten, speisten sie an einem Abend mit Dona Sol, der Schwester des Herzogs von Alba, im Ritz. Bei ihrer Ankunft begrüßte sie die beiden mit dem faschistischen Gruß. Es wäre beinahe zu einem Eklat gekommen, weil der Herzog sie
ziemlich unmißverständlich darauf hinwies, daß ihm diese Geste zuwider ist.«
»Ich verstehe.«
»Ein andermal dinierte er mit dem Infanten Alfonso, seinem angeheirateten Vetter, der am Bürgerkrieg teilgenommen hat. Der Infant unterstrich mehrmals, wie gewaltig die militärische Macht der Deutschen sei. Er ließ sogar deutlich durchblicken, daß er die Briten schon für besiegt hielt.«
»Und wie reagierte der Herzog?«
»Er geriet in Zorn. Fragte den Infanten, ob er noch nie etwas vom Kanal gehört habe.« Serrano Suner zuckte die Achseln. »Sie halten diese Dinge vielleicht für nebensächlich, aber für mich lassen sie erkennen, daß die innere Einstellung des Herzogs alles andere als günstig für unsere Sache ist.«
Von Strobel kehrte zurück. »Es war der Reichsaußenminister persönlich. Ich habe ihm berichtet, daß Sie wohlbehalten eingetroffen sind, Schellenberg. Er verläßt sich darauf, daß Sie mit der gebotenen Eile nach Lissabon Weiterreisen.«
Schellenberg warf einen Blick auf seine Uhr und sah, daß es schon kurz vor zwei war. »In der Tat, es wird höchste Zeit. Ich habe dem Piloten gesagt, er solle um zwei Uhr startbereit sein.«
»Ich bringe Sie hinaus«, sagte von Strobel.
»Bitte keine Umstände. Sie haben sicher noch eine Menge zu besprechen. Ich werde mich selbstverständlich so schnell wie möglich wieder mit Ihnen in Verbindung setzen.«
Es war nicht schlecht gelaufen, sagte Schellenberg sich im Hinausgehen. Er wußte jetzt erheblich mehr als vorher. »Das Große Spiel«, hatte es ein englischer Geheimdienstmann des 19. Jahrhunderts einmal genannt, und was für ein Spiel! Balancieren auf des Messers Schneide. Wie viele Jahre seines Lebens hatte er nun schon damit zugebracht? Und jetzt war er drauf und dran, das alles hinzuwerfen nur wegen eines Mädchens, das er kaum kannte. Das wahrscheinlich alles verachtete, wofür er eintrat. Der schwarze Humor, der schon so oft sein rettender Engel gewesen war, veranlaßte ihn zu einem zynischen Lächeln. »Walter«, sagte er zu sich, »drei Rosenkränze für die Sünde des Hochmuts. Dieser unberechenbare Drang, bürgerlich zu werden und anständig zu handeln, wird dich eines Tages noch Kopf und Kragen kosten.« Als er den Hof betrat, waren Kleiber und Sindermann nirgends zu sehen, und auch der Wagen war nicht da. Der Mann aus der Pförtnerloge kam und salutierte. »Kann ich etwas für Sie tun, Brigadeführer?«
»Sturmbannführer Kleiber. Haben Sie ihn irgendwo gesehen?«
»Er ist noch nicht wieder
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