Königsjagd
noch im Sand und starrte auf das Meer hinaus. Erst dann - ihr war, als sei eine Ewigkeit vergangen - stand sie auf und ging langsam zum Haus zurück.
12
Anders als am letzten Abend ging es in dem Speicher zu wie in einem Bienenstock, als Schellenberg ihn betrat und die schmale Eisentreppe zu Taniguchis Glaskasten hochging. Der bullige Japaner diktierte einer jungen Sekretärin Briefe, schickte sie jedoch hinaus und schloß hinter ihr die Tür.
»Haben Sie etwas für mich?« fragte Schellenberg. »Aber sicher.«
Taniguchi öffnete einen Schrank, dessen Rückseite eine Öffnung hatte, hinter der sich ein Wandtresor befand. Er schloß ihn auf und nahm eine Mappe heraus. »Alles, was Sie brauchen, Walter. Ein Grundriß der Villa nebst Plan des Gartens. Eine Aufstellung der Angestellten. Sie werden von
einer Agentur in der Stadt vermittelt, an der ich finanziell beteiligt bin. Ich habe bereits Vorsorge getroffen, daß man heute morgen einen Diener, ein Hausmädchen und einen Hilfsgärtner durch Leute ersetzt, die von mir bezahlt werden. Sie sprechen alle einigermaßen Englisch.«
»Ausgezeichnet - und die Polizei?«
»Ein bißchen schwieriger, aber nur ein bißchen. Seit gestern ist Oberst da Cunha, der Chef der Sicherheitspolizei, persönlich für die Bewachung der Villa zuständig. Den Gerüchten zufolge kam der Befehl von Salazar selbst.«
»Ich habe schon gehört, daß er ein erstklassiger Polizeimann ist.«
»Jedenfalls nicht zu bestechen«, sagte Taniguchi. »Zum Glück gehört der Offizier, der in der Villa stationiert ist, solange der Herzog dort wohnt, zu einer ganz anderen Spezies. Es handelt sich um einen gewissen Hauptmann José Mota.«
»Steht er auf unserer Seite?«
»Wenn Sie damit die Ideologie meinen, nein, aber er hat einen außerordentlich kostspieligen Geschmack, besonders was Frauen betrifft. Wie lauten also Ihre Anweisungen?«
»Im Augenblick reichen allgemeine Informationen über alles, was im Haus vor sich geht. Es wäre gut, wenn Ihre Leute möglichst viele Gespräche mithörten und mich über den Inhalt unterrichteten.«
»Gespräche über die künftigen Pläne des Herzogs? Und wenn er nun doch beschließt, auf die Bahamas zu gehen, Walter? Was dann?«
»Ich würde es ihm nicht übelnehmen, wirklich nicht.« Schellenberg stand auf. »Wie ich höre, ist das Klima dort ideal.« Taniguchi lachte auf. »Sehr lustig.«
»Was denn?«
»Das Leben, oder zumindest seine amüsanteren Seiten. Betrachten wir aber mal etwas so Abstraktes wie eine Information, Walter. Sie ist im Grunde eine Ware, die den Gesetzen des Marktes ebenso unterliegt wie jede andere. Sie ist also etwas, das nicht nur einmal, sondern auch zweimal verkauft werden kann...«
»Eine interessante Theorie«, sagte Schellenberg. »Lassen Sie uns darüber reden.« Dann nahm er wieder Platz.
Baron von Krotzingen-Boerne trank gerade seinen Morgenkaffee, als Schellenberg in sein Büro geführt wurde.
»Da sind Sie ja, Brigadeführer. Möchten Sie auch einen Kaffee?«
»Ja, vielen Dank.«
Boerne schenkte ihm eine Tasse ein und schob ihm einen Funkspruchzettel hin. »Hier ist etwas für Sie vom Auswärtigen Amt, das Ihnen vielleicht nicht sehr gefällt. Ich habe es schon entschlüsseln lassen.«
Der Funkspruch kam von Ribbentrop und war unmißverständlich:
Der Herzog muß bei der ersten passenden Gelegenheit informiert werden, daß Deutschland Frieden mit dem englischen Volk wünscht, daß die Churchill-Clique ein Hindernis bildet und daß es zu begrüßen wäre, wenn der Herzog sich für weitere Entwicklungen bereithielte. Das Reich ist entschlossen, England mit allen Mitteln einschließlich Gewalt zum Frieden zu zwingen, und wird, wenn es so weit ist, ein offenes Ohr für alle Wünsche des Herzogs haben, insbesondere was eine eventuelle Thronbesteigung des Herzogs betrifft.
In diesem Sinne ging es weiter; von Ribbentrop hatte auch nicht vergessen zu betonen, daß Espirito Santo e Silva seiner Meinung nach mit den Deutschen sympathisiere. Zuletzt wurde das Gerücht wiederholt, der Secret Service trachte dem Herzog nach dem Leben. »Nun, deutlicher geht es kaum«, sagte Schellenberg. »Ich habe Neuigkeiten von Ramajo de Alvarez«, berichtete Boerne ihm. »Er fährt morgen mit den Windsors aufs Land, um eine Stierfarm zu besuchen. Das Interessante ist der Ort, wo sie sich befindet. Er heißt Nina und liegt nur fünfzehn Kilometer von der spanischen
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