Königsjagd
Grenze entfernt. Meine persönliche Sekretärin hat eine Zusammenfassung meines Gesprächs mit de Alvarez geschrieben. Hier ist der Durchschlag.« Schellenberg las das Protokoll schnell. »Demnach will er weiter auf dem angeblichen Komplott der Briten herumreiten.«
»Sie finden das unsinnig?«
»Offen gesagt, ja.«
»Wäre es absurd, darauf hinzuweisen, daß man uns die Schuld geben könnte, falls dem Herzog irgend etwas passieren sollte?«
»Ich habe die Erfahrung gemacht, daß in dieser bösen alten Welt nichts unmöglich ist. Wie ich sehe, deutet er an, daß der Gastgeber des Herzogs unseren Standpunkt mehr oder weniger teilt.«
»Was haben Sie also vor?«
»Abwarten, was bei de Alvarez' Ausflug mit den Windsors herauskommt. Wenn er den Herzog überzeugt, daß es am besten für ihn wäre, nach Spanien zu gehen... wenn der Herzog sich tatsächlich überzeugen lassen will, dann ist die Grenze nach allem, was Sie mir gesagt haben, mit dem Auto in zwanzig Minuten zu erreichen. Ribbentrop und der Führer werden entzückt sein, und wir können uns wieder anderen Pflichten zuwenden.«
»Und wenn sich der Herzog anders entschließt?«
Schellenberg lächelte und stand auf. »Der Kaffee war ausgezeichnet, wie bei Muttern. Wir sehen uns später, Baron.«
Die American Bar war ein beliebter Treffpunkt zum Lunch, und als Taniguchi kurz nach zwei Uhr kam, war kein Platz mehr frei. Joe Jackson saß auf einem Hocker am Ende der Theke und unterhielt sich mit einigen Gästen. Er entschuldigte sich und eilte dem Japaner sofort entgegen. »Kommen Sie weiter?«
»Ich denke, das kann man sagen.«
Jackson führte ihn nach oben in sein Büro und schloß die Tür. »Nun, wie sieht es aus?«
»Ein unternehmungslustiger Mann, Ihr Herzog. Morgen besucht er zusammen mit Ramajo de Alvarez die Stierfarm von Antonio de Oliveira bei Nina.«
Jackson zog die Augenbrauen hoch. »Ein bißchen zu nahe an der Grenze.«
»In der Tat. Und nun zur Villa. Fernandes da Cunha ist zwar für die Sicherheit des Herzogs verantwortlich, aber die faktische Bewachung der Villa obliegt, wie ich Ihnen schon sagte, einem Hauptmann José Mota und seinen Polizisten.«
»Und er ist zugänglich?«
»Er macht für Geld alles, aber er ist alles andere als bescheiden. Tausend Dollar, in amerikanischer Währung, nicht mehr und nicht weniger. Im voraus bar auf die Hand.«
»Was bekommen wir dafür?«
»Jeden Abend um zehn Uhr macht der Herzog noch einen Spaziergang durch den Park, um seine letzte Zigarre zu rauchen. Immer allein. Ich habe hier einen kleinen Grundriß.«
Er zog ein Blatt Papier aus der Tasche und faltete es auseinander. »Hier unterhalb des Swimming-pools steht ein Gartenhaus. Der Herzog setzt sich zuletzt immer ein paar Minuten hinein und raucht besagte Zigarre zu Ende.«
»Und?«
»Nur ein paar Meter weiter« - er zeigte auf einen bestimmten Punkt -»wächst ein dichtes Gebüsch, das eine Tür in der Mauer versteckt. Gewöhnlich steht dort ein Polizist diskret Wache, aber heute abend wird er nicht da sein, wenn es Sie interessiert. Außerdem wird die Tür unverschlossen sein.«
»Dank Hauptmann Mota?«
»Genau.«
»Der sein Geld im voraus haben will?«
»Ich furchte, ja.«
Jackson ging zu dem altmodischen Tresor in der Ecke, öffnete ihn, nahm eine Kassette heraus, klappte sie auf und zählte zehn Hundertdollar-Noten ab. »Noch etwas«, sagte Taniguchi. »Die junge Dame geht allein hinein.«
»Hören Sie...« begann Jackson.
»Das gehört zum Vertrag. Entweder Sie sind einverstanden, oder die Sache platzt. Sie steigt auf halber Höhe des Hügels aus dem Wagen und geht den Rest des Weges zu Fuß. Damit der Posten am Tor sie nicht hört.«
Jackson zuckte die Achseln. »Meinetwegen«, sagte er widerstrebend, »aber für diesen Haufen Geld will ich Service sehen. Und wenn ich ihn nicht bekomme, alter Knabe...«
»Vertrauen, Joe. Eine andere Ware, die käuflich ist. Sie müssen lernen, es zu schätzen.«
Taniguchi lächelte vor sich hin, als er die Tür öffnete und den Raum verließ.
Von Kroetzingen-Boerne stellte Schellenberg ein Arbeitszimmer zur Verfügung, das zwar klein war, für seine Zwecke aber völlig ausreichte. Der Brigadeführer saß gerade am Schreibtisch, als es klopfte und Kleiber hereinkam. Er war noch sehr blaß und trug den Arm diesmal in einer selbstgebastelten Schlinge - einem Seidenschal. »Nun, was gibt's?« sagte Schellenberg.
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