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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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wiedergefunden.
    Die Geschichte erzürnte Ludwig nicht wenig, noch größer war aber sein Zorn, als dieselben Teufelinnen auf einem Streifzug |359| durch den Louvre in Doundouns Zimmer einbrachen, dort die Truhen ihrer Tochter Louise entdeckten, die sie zwar nicht plünderten,
     aber deren Schlüssel, die Louise hatte stecken lassen, sie entwendeten. Am Tag danach sperrte der König die diebischen Elstern
     eigenhändig in ihren Kammern ein und ließ sie einen ganzen Tag schmachten.
    Der Gipfel der Ungehörigkeiten war, daß diese losen Frauenzimmer, wenn wir Ludwig in die Gemächer der Königin begleiteten,
     nur Augen für die Offiziere Seiner Majestät hatten und ohne jede Scham hinter ihren Fächern wisperten und lachten, ihre breiten
     Hüften wiegten und uns aus glutvollen Augen lockende Blicke zuwarfen. Dieses Benehmen mißfiel Ludwig sehr. Und der Großkämmerer,
     ein altmodischer alter Franzose, der die derbe Sprache der Väter führte, mußte den königlichen Offizieren ausdrücklich verbieten,
     auch nur ›die Spitze von Fuß, Nase oder Schwanz‹ in das spanische Weiberhaus zu stecken.
    Außer daß die königliche Prüderie sich gegen solches ausgelassene Benehmen sträubte, sah Ludwig darin auch eine Mißachtung
     Frankreichs. Vielleicht täuschte er sich damit nicht ganz. Zwischen den beiden Völkern bestand eine so lange Tradition der
     Antipathie und Geringschätzung, daß auch eine Doppelhochzeit sie nicht aus der Welt schaffen, ja nicht einmal mildern konnte.
    Der König verfehlte bei seinen kurzen Besuchen nicht, Anna von Österreich die Mutwilligkeiten ihrer Hofdamen vorzuwerfen,
     die seine Gemahlin aber nicht so ernst nahm, wie er gewünscht hätte, weil sie selbst fröhlich, lebhaft und sogar ein bißchen
     närrisch war. Er aber, der ernst und gewissenhaft selbst in seinen Vergnügungen war (zum Beispiel, als er in Plessisles-Tours
     seine Festung baute), entrüstete sich über diese spanischen Extravaganzen und nahm es der Königin übel, daß sie nicht dagegen
     einschritt. Er entfernte sich von ihr. Er verkürzte seine Besuche bei ihr. Ich habe in meinem Tagebuch notiert, daß er ihr
     am neunten März in Tours nur ganze fünf Minuten widmete. Am zweiundzwanzigsten und dreiundzwanzigsten März vergaß er, sie
     zu besuchen. Und vom siebenundzwanzigsten März bis zum achten April ließ er elf Tage verstreichen, ohne sie zu sehen.
    Seltsamerweise war es nicht die Königinmutter, die darüber |360| in Besorgnis geriet, sondern Luynes. Maria schlief nach ihrem geschönten Bericht über die Hochzeitsnacht des Sohnes auf ihren
     beiden dummen Ohren: was scherte es sie, ob die Dynastie durch einen Enkel fortgesetzt würde oder nicht. Was kümmerte es sie,
     daß die ›kleine Königin‹, wie sie sie nannte, in ihrem Schatten verblich. Nur Luynes wachte. Er wollte, und es war dies seine
     ständige, mütterliche Sorge, daß der König sich seiner Frau annäherte und wahrhaftig ihr Gemahl wurde. Weil er Ludwig liebte
     und seinem König diente, wünschte er, daß seine zunehmende Reife auch seinen Thron festige. Als ich, noch auf der langen Reise,
     mit La Surie über Luynes’ Bemühungen in diesem Sinne sprach, machte er eine Bemerkung, die mir der Wiedergabe wert erscheint.
    »Verdienstvoll, schöner Neffe, sind Luynes’ Bemühungen gewiß … Aber vielleicht versucht er dadurch auch dem Verdacht der Unzucht
     zu begegnen, den des Königs große Liebe zu ihm erzeugen könnte.«
    Der Hof wartete in Tours darauf, daß der verhängsnisvolle Vertrag mit den Prinzen geschlossen werde, als Luynes, der sich
     in seiner guten Stadt Amboise der Schönheit seines Schlosses erfreute, die Königinmutter um die Erlaubnis bat, Anna einzuladen,
     während der König bei ihm weilte. Ich wette, daß Maria das Ersuchen gerne abgelehnt hätte, aber, wie ich hörte, war Pater
     Cotton, den sie deshalb befragte, auf dem Ohr taub: denn was taugte ein Bündnis ohne eine gute Ehe? Und was taugte für die
     Kirche eine gute Ehe ohne gutes und gottgefälliges fleischliches Werk? Und was konnte dem besser dienen als ein Beisammensein
     der beiden jungen Gatten?
    Um halb drei Uhr nachmittags nahm Anna den höchst anmutigen Weg von Tours entlang der Loire, die unterm sonnigen, wolkenlosen
     Himmel schimmerte und glänzte, als hätten wir nicht April, sondern Juli gehabt. Gott sei Dank, kam Anna nahezu allein. Ich
     meine, ohne die Königinmutter, ohne ihr lästiges, vielköpfiges Gefolge, das diesmal nur aus zehn Damen

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