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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sagte Luynes, indem er sich zu meinem Ohr beugte und einen spähenden Blick um sich warf. »Es ist sicherer,
     Monsieur de Siorac. Ich traute mich bei einfallender Nacht kaum mehr, den Louvre zu verlassen. Ein Degen trifft im Dunkeln
     schnell.«
    »Monsieur«, sagte ich, »hat man Euch gedroht?«
    »Jaja«, sagte er. »Ihr wißt schon, wer. Und dreimal hat derjenige ja gezeigt, was ihm ein Menschenleben gilt.«
    »Und wie hat derjenige Euch gedroht?«
    »Ganz unverhohlen: ›Monsieur de
Lune
, ich bemerke wohl, daß der König mich ungern sieht. Dafür werdet Ihr mir geradestehen.‹«
    Wer nun meint, Luynes habe seine Furcht übertrieben, dem sei gesagt, daß er allen Grund hatte, auf der Hut zu sein. Der Marschall
     von Ancre war nicht nur ein habgieriger und skrupelloser Emporkömmling: zuweilen gelüstete es ihn auch nach Blut. Als er zur
     Zeit unserer Reise in die Provinz Guyenne in Paris weilte, wurde er am Stadttor de Buci von einem Sergeanten, dem Schuster
     Picard, zurückgewiesen, weil er keinen Paß vorweisen konnte. Concini wartete, bis die Königinmutter wieder in Paris war und
     er sich vor Strafe sicher fühlte, und ließ den Schuster von seinen Dienern prügeln, bis er wie tot auf dem Pflaster lag. In
     Amiens, wo er glaubte, sich alles erlauben zu können, weil er der Gouverneur war, ließ er den Obersergeanten Prouville, gegen
     den er einen gewissen Verdacht hegte, heimtückisch ermorden. Ein Jahr vorher hatte er in Paris einen Anschlag auf Riberpré
     gewagt, der seinen Mördern nur mit knapper Not entrann.
    Diese unerbittliche Rachsucht machte Concini um so furchtbarer, als seine Frau neuerdings wieder alle Macht über die |372| Königinmutter hatte und er nur noch ein, zwei Stufen zu erklimmen brauchte, um ohne Rivalen an der Spitze des Staates zu stehen.
     Dessen wurde man gewahr, als das Gerücht umging, die Königinmutter wolle die alten Minister durch neue Männer ersetzen. Schon
     hatte Sillery abdanken müssen, um Monsieur du Vair zu weichen. Und wie vom Hof verlautete, waren Villeroy und Jeannin als
     nächste an der Reihe.
    Es war geraume Zeit her, seit der Name
Graubärte
auf die Minister zutraf, die nun verabschiedet werden sollten. Ihre politische Laufbahn hatte so lange gedauert, daß ihre
     Bärte mittlerweile weiß und schütter waren. Sillery war zweiundsiebzig Jahre alt, Villeroy vierundsiebzig, Jeannin dreiundsiebzig.
     Trotzdem hatten bei keinem von ihnen Gedächtnis, Sprache und Verstand nachgelassen. Die Gnade Katharinas von Medici hatte
     sie so hoch erhoben, nun sollten sie durch die Ungnade der Maria von Medici stürzen.
    »Wir werden ihnen noch nachweinen«, sagte der Marquis de Siorac, während wir in der Bibliothek darauf warteten, daß Mariette
     uns zum Abendessen rief.
    »Was heißt denn das, Herr Vater?« fragte ich erstaunt. »Wenn ich mich recht entsinne, wart Ihr zu Lebzeiten unseres Henri
     nichts wie Spott und Hohn gegen die
Graubärte,
habt sie ligatreu, spanisch und was weiß ich gescholten.«
    »Ligatreu, das waren sie gewiß. Und spanisch waren sie auch immer. Deswegen hat sich Henri ihrer nur mit langen Zangen bedient.
     Gleichwohl hat er ihre Dienste gebraucht. Denn so blind sie in den auswärtigen Geschäften auch sein mochten, hatten sie außer
     ihrer großen Erfahrung bei den inneren Angelegenheiten doch einzig die Interessen des Staates im Sinn. Und glaubt mir, mein
     Sohn, in den sechs Jahren, seit Henri tot ist, hätte es weit schlimmer kommen können, wären die
Graubärte
nicht auf ihrem Posten gewesen. Sie haben in nicht geringem Maße den Einfluß der Dame Concini gemildert, gezügelt und mitunter
     sogar durchkreuzt. Und das nimmt sie ihnen bitter übel.«
    »Ihr meint«, sagte ich, »daß die Spinne die
Graubärte
stürzen will?«
    »Sicher. Und ich weiß es aus erster Quelle, von Villeroy, den ich vorgestern in seinem Haus zu Conflans besucht habe. Ich
     wollte ihn trösten, weil ich mir dachte, man wird nicht eben Schlange stehen bei einem Minister in halber Ungnade. Die |373| Concini hat Villeroy nicht verziehen, daß er dem Marschall von Ancre bei den Verhandlungen zu Loudun Amiens weggenommen hat.«
    »Aber dafür«, sagte La Surie, »hat der Marschall von Ancre weiß Gott genug Entschädigungen erhalten: die Normandie, Caen,
     Pont-de-l’Arche, Quillebeuf!«
    »Miroul«, sagte mein Vater, »du hast keine Vorstellung von dem irrwitzigen Hochmut dieses einstigen Habenichts! An diesen
     Berg darf man nicht einmal tippen, ohne daß er

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