Königskind
versicherte ich meiner lieben Patin, ihr in allem zu gehorchen. Sie tätschelte mir die Wangen (sie wollte sich
Bleiweiß, Puder und Rouge nicht durch Küsse verderben) und ging, höchst zufrieden mit mir, mit sich selbst, mit meinem Vater,
ihrem Rang, ihrer prächtigen Gesundheit, ihrer guten Laune, ihrem Witz und überhaupt mit ihrem Leben, das ihr nur echten Kummer
machen würde, wenn es sie verließe.
Ein Reitknecht? dachte ich. Ein Lakai? Und wie soll ich die bezahlen, da ich meine Pension höchstens erst Ende Dezember erhalte?
Auf keinen Fall wollte ich meinem Vater nach der riesigen Summe, die er sich für mich abgerungen hatte, abermals auf dem Beutel
liegen, nur um Tagediebe zu bezahlen.
Für meine Begriffe war der einzige nützliche Diener außer Louison ein Page. Er konnte mein Pferd satteln, die Tür öffnen und
auch noch Briefe und Botschaften besorgen.
Nach dem Burschen brauchte ich nicht zu suchen. Kaum sprach es sich herum, daß ich im Louvre wohnte, bot er sich von selbst
an, weil er von Madame de Guercheville entlassen worden war. Er kannte mich aus der Zeit, als ich noch Dolmetsch unseres seligen
Königs war. Er hieß La Barge und hatte mir einmal anvertraut, wie er versucht hatte, eine Kammerfrau zu verführen, die ihn
aber gescholten und geohrfeigt hatte, weil sie ihn zu klein fand. Tatsächlich war er erst vierzehn und sogar für sein Alter
nicht groß, aber flink, aufgeweckt, mit schönen nußbraunen Augen, die vieles sahen, und großen Ohren, die ihren Zweck trefflich
erfüllten. Ein solcher Page gefiel mir, denn durch ihn, dachte ich, würde ich mancherlei erfahren, was sich hinter den Kulissen
und Türen dieses Palastes abspielte, in dem ich neu war.
Bevor ich ihn einstellte, wollte ich aber hören, was Madame de Guercheville über ihn sagte. Wie man sich erinnern wird, |101| unterstanden dieser Dame die Ehrenjungfern der Königin, und sie wachte mit Argusaugen über deren Tugend. In der Blüte ihrer
Jugend hatte Madame de Guercheville einst den Sturmangriff unseres Henri abgeschlagen, was ihr einen solchen Ruf von Prüderie
eingetragen hatte, daß er hinfort alle Galane am Hof verschreckte. Vielleicht zu Unrecht. Denn in unserem Gespräch zeigte
sie sich sehr verführerisch in Blicken und Lächeln und durchaus nicht geneigt, unsere Unterhaltung abzukürzen. Sie sang mir
das höchste Lob auf La Barge, den sie nur entlassen hatte, um die Stelle dem Sohn einer hohen Dame zu geben, die sie darum
gebeten hatte.
Während sie mich derweise am Bändel hielt – und zehn Worte sagte, wo zwei genügten –, fürchtete und hoffte ich doch zugleich,
in ihrem Umkreis auf Mademoiselle de Fonlebon zu treffen. Aber so oft ich meine Augen auch auf Spähergang schickte, erblickte
ich meine Cousine doch nirgends unter den reizenden Wesen, die uns umschwirrten.
Der erste Dienst, den ich von La Barge verlangte, war, mir zu sagen, wer mir zu einer Audienz bei der Marquise von Ancre verhelfen
könnte.
»Entweder, Herr Chevalier«, sagte er, »Ihr wendet Euch an ihren Florentiner Sekretär, Andrea di Lizza, oder an ihren jüdischen
Arzt Montalto.«
»Ein jüdischer Arzt im Louvre?« fragte ich verwundert. »Obwohl die Graubärte ein Edikt planen, nach dem alle Juden das Königreich
verlassen müßten?«
»Eben deshalb«, sagte La Barge, »hat die Königin beim Papst die Erlaubnis eingeholt, Montalto aus Portugal kommen zu lassen,
damit er die Marquise behandelt.«
»Und woher wußte sie seinen Namen und seinen Wohnort?«
»Von ihrem königlichen Parfumeur, Señor Maren, auch ein Jude. Montalto ist sein Neffe.«
»Und wer, meinst du, hat den größeren Einfluß auf die Marquise, Lizza oder Montalto?«
»Darauf würde ich nicht wetten. Andrea di Lizza spielt im Leben der Dame eine große Rolle. Er ist ihr Sekretär, Haushofmeister
und Musikus. Es lindert ihre Schmerzen, wenn er ihr Florentiner Weisen zur Gitarre singt.«
»Und Montalto?«
»Montalto hat ihren Zustand durch seine Behandlung verbessert, |102| und, wie man hört, verehrt die Marquise ihn sowohl als Arzt wie als Philosophen und Magier.«
»Dann bin ich für Montalto.«
»Für den Juden, Herr Chevalier?« sagte La Barge und erblaßte. »Aber wie soll ich zu ihm gehen? Mit Juden zu sprechen ist eine
Sünde.«
»Wer sagt das?«
»Mein Beichtvater.«
»Und warum ist es eine Sünde?«
»Weil die Juden unseren Herrn Jesus zum Tode verurteilt haben.«
»Und die Römer haben ihn gekreuzigt.
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