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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Wenn ich dich nun nach Rom schicke, weigerst du dich dann auch, mit Römern zu sprechen?«
    »Es sind doch nicht mehr dieselben Römer.«
    »Es sind auch nicht mehr dieselben Juden.«
    Dieses Argument machte ihn sprachlos.
    »Du brauchst aber mit Montalto gar nicht zu sprechen, du übergibst ihm ein Billett von mir und hörst seine Antwort.«
    »Ich gehorche Eurem Befehl, Herr Chevalier«, sagte La Barge, mehr von meinem entschiedenen Ton beeindruckt als von meinen
     Argumenten.
    Am selben Tag, als La Barge sein Seelenheil riskierte und zu Montalto ging, wurde
il mio piccolo salone 1 ,
wie man sein Empfangskabinett damals im Louvre gern nannte, mit dem ›ausgemusterten Kram‹ meiner lieben Patin geschmückt. Mir erschien
     aber alles so schön und neu, daß es jammerschade gewesen wäre, hätten es auf den Böden des Hôtel de Grenelle die Mäuse gefressen.
     Weil mein Vater derzeit auf seinem Gut Le Chêne Rogneux mit dem Dachdecken beschäftigt war, kam La Surie, meine Einrichtung
     zu bewundern: was er gewissenhaft tat, aber nicht ohne ein paar giftige Pfeile loszulassen, weil er mich schon ›im Luxus,
     wenn nicht in Ausschweifung versinken‹ sah.
    Am folgenden Abend um Punkt neun Uhr besuchte mich Montalto und schien hochgerührt, als ich ihn bat, Platz zu nehmen (auf
     einem meiner karmesinroten, mit Goldborten verzierten Samtstühle) und ihn zu einem Glas Cahors-Wein einlud. |103| La Barge bediente, gekränkt darüber, daß ich diese Mühe ihm abverlangte und nicht Louison, die sich vor Schreck über den Besucher
     in die Kammer geflüchtet hatte.
    Montalto bestand nur aus Haut und Knochen und wirkte nicht sehr gesund. Sieh an, die Mediziner, dachte ich: sie wollen andere
     heilen und wissen sich selbst nicht zu helfen. Sein Gesicht war wirklich so mager, daß er statt der Wangen Höhlen hatte und
     man, wenn er sprach, seine Kiefermuskeln spielen sah. Und sein Schädel war so unwiderruflich aller Haare bloß, daß man schwer
     sagen konnte, wo seine Stirn ansetzte, die mir jedoch wohlgeformt und an der Basis schön betont schien durch dichte schwarze
     Brauen und herrliche grüne Augen. Montalto ließ sie zur Begleitung seiner leisen, wohlklingenden Stimme lebhaft sprechen,
     ebenso seine langen, ausdrucksvollen und so beweglichen Hände, daß man meinte, seinen Fingerspitzen werde jeden Augenblick
     eine Taube entschlüpfen.
    Zuerst erkundigte ich mich nach der Gesundheit der Marquise, und zu meiner großen Überraschung antwortete Montalto auf diese
     aus reiner Höflichkeit gestellte Frage mit einer ziemlich langen Ausführung, die ihm, wie ich vermutete, Zeit ließ, mich zu
     erforschen und sich über mich eine Meinung zu bilden.
    »Die Marquise«, sagte er, »leidet an den Nerven und überdies an einem Quartfieber, das sie in eine melancholische und hypochondrische
     Gemütsverfassung versetzt. Sie lebt ganz ihren Leiden und Ängsten, von denen die schlimmste ist, kein Geld zu haben. Diese
     Angst quält sie derart, daß sie, schenkte man ihr den gesamten Schatz Frankreichs und beider Spanien, noch immer nicht beruhigt
     wäre. Dieses Faß hat keinen Boden. Auch die Befürchtungen nicht, die ihr Zustand ihr eingibt. Wenn man sie nur überzeugen
     könnte, sich nicht soviel mit ihrem Befinden zu beschäftigen, wäre sie zweifellos weniger krank. Aber dagegen ist kein Kraut
     gewachsen. Der Herr Marquis von Ancre möchte sie als Wahnsinnige in das Schloß von Caen einliefern, ich bin dagegen. Die Marquise
     ist nicht irre, sie ist nur unvernünftig, besonders in ihren Wutausbrüchen. Und davon kann man sie auf sanftem Wege abbringen.
     Ich habe ihr Ruhe, Abgeschiedenheit und Diät verordnet, eine maßvolle Diät, und vor allem verlangt, daß man ihr zur Besänftigung
     ihrer Habsucht ständig kleine Geschenke macht, |104| mögen es auch ganz alltägliche sein, denn es beruhigt sie allein schon, daß sie etwas bekommt.«
    Mich erstaunte diese Rede. Sie dünkte mich scharfsinnig und durchaus nicht von einem Scharlatan, wie La Barge es mit dem Wort
     ›Magier‹ angedeutet hatte. Noch erstaunlicher war, daß Montalto mein Interesse an der Gesundheit der Marquise von Ancre erregt
     hatte, die mich bis dahin keinen Deut gekümmert hatte. Und ganz ernsthaft fragte ich: »Und ist die Marquise auf dem Weg der
     Heilung?«
    »Das würde ich nicht beschwören, Herr Chevalier, aber es geht ihr besser.«
    Hierauf verschränkte Montalto seine Fingerspitzen, neigte den Kopf seitlich und sah mich freundlich und

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