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Königskinder

Königskinder

Titel: Königskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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abträglich.
    Natürlich taten mir die Kinder dieser Schuldenmacher leid. Diese falsch ernährten, von keinerlei Erziehung beeinträchtigten Rabauken-Knirpse, die oft vernachlässigt und ohne erkennbare Bildung durch ihre Kindheit gezerrt wurden. Und ich machte mir keine Illusionen, dass diese Kinder in zehn, zwanzig Jahren etwas anderes sein würden als Parasiten, so wie ihre Eltern. Jawohl: Parasiten! Ich zahlte mit meinen Steuern für die Leute, die auf Pump bei mir Hightech-Geräte kauften, die ich selbst mir nicht leisten konnte. Nicht einmal mit dem Mitarbeiterrabatt, der uns gewährt wurde. Da kriegt man schon ein bisschen das Kotzen.
    Ich weiß, es klingt brutal. Wie hatte mich Juan, mein costaricanischer Kurzzeit-Lover damals genannt? Madonna Teresa. Weil ich mich immer wie eine Heilige aufgeführt hatte, weil ich wie Mutter Teresa immer allen helfen wollte und jedem bettelnden Kind ein paar Münzen in die Hand drückte. Und weil ich, ich zitiere nur Juan, einen genauso geilen Arsch wie Madonna hätte. Nun: Ich bin nicht mehr heilig. Und mein Arsch hat inzwischen Dellen. So ist das im Leben: Die Dinge ändern sich.

    Nach einem Jahr Studium brach ich die Politikwissenschaften ab und konzentrierte mich voll auf BWL. Ich plante, nach meinem Studium den Esoterik- und Asienkitsch-Laden meiner Mutter zu einem Online-Handel umzubauen. Ebay bot da viele Möglichkeiten. Alabama Karl hatte mir mehr als einmal angeboten, mir finanzielle Starthilfe zu geben. Er war nämlich inzwischen Millionär. Ja, richtig! Ohne Scheiß! Seine Eltern (meine Großeltern, die ich nie kennenlernen durfte) waren gestorben – zuerst sein Vater, ein Jahr später seine Mutter – und hatten ihm ihr Klümpzer-Wurstwaren -Barvermögen hinterlassen. Das war beträchtlich, da sie ihre Firma an einen multinationalen Mischkonzern verkauft hatten. Karl lebte jetzt im Vierzehn-Zimmer-Anwesen seiner Eltern in Wolfratshausen. Er hatte die Villa zu einer Riesen-WG umgebaut, wo seine ganzen alten, abgebrannten Kiffer-, Musiker- und Hippie-Freunde ihr Gnadenbrot bekamen. »Es ist wunderbar hier, Simone«, sagte er immer, wenn wir telefonierten. »Du musst uns besuchen kommen. Es ist ein Ort des Friedens, eine Oase, ein sicherer Hafen.« Ich würde andere Worte finden, um das zu beschreiben, was mein Vater sich aufgebaut hatte: Eine durchaus sympathische, aber auch unglaubliche Freakshow!
    Ich zögerte noch, ob ich sein finanzielles Angebot annehmen sollte. Eigentlich wollte ich Alabamas Geld nicht. Ich war fest entschlossen, meinen Weg mit eigener Kraft zu gehen. Andererseits hatte ich manchmal das bohrende Gefühl, Karl schulde mir durchaus etwas. Er war schließlich ein ziemlich miserabler Vater gewesen. Als ich das meiner Mutter gegenüber einmal andeutete, schaute sie mich sehr lange schweigend an und schüttelte leicht den Kopf.
    »Du hast dich verändert, Simone.«
    Obwohl sie dies ohne Vorwurf sagte, war mir schmerzlich bewusst, dass sie mich nicht Saraswati genannt hatte.
    *
    Jennifer hatte sich ausgeschüttet vor Lachen, als ich ihr von meiner Babyklappen-Befürchtung erzählte. »Mein Kind weggeben?«, rief sie. »So was würde ich doch nie tun, ey! Du hast ja voll die Soap-Denke!« Sie boxte mir leicht gegen den Oberarm. »Du bist so ein Vollspacken.«
    Ich glaube, das war trotzdem der Moment, in dem sie sich in mich verliebte. Noch nie in ihrem Leben hatte sich jemand so viel Sorgen um sie gemacht wie ich. Noch nie hatte jemand die ganze Nacht das Gebäude bewacht, in dem sie schlief. Noch nie hatte jemand morgens an ihre Tür geklopft, ihr Kaffee ans Bett gebracht, besorgt nach dem Kind gesehen, sich dann zu ihr gesetzt und gesagt: »So, dann schauen wir doch mal, wie wir dir helfen können.«
    Ich hatte Jennifers Finanzlage rekonstruiert. Mühsam, denn so etwas wie Unterlagen besaß sie nicht. Ein Teil war bei ihrer Miet-Nomadenschaft verschollen gegangen, einen Teil hatte sie weggeworfen, sowie sie ihn bekommen hatte. Quittungen, Bestätigungen, Schreiben von Ämtern waren bloß Papier. Weg damit. Das war ihre Devise. Jennifer war der sorgloseste Mensch, der mir je begegnet ist, regelrecht verantwortungslos – außer, wenn es um ihre kleine Tochter ging. Sie liebte Sandy über alles, und das Baby litt tatsächlich keinen erkennbaren Mangel. Ich verhandelte mit Jennifers Handy-Anbieter, damit sie ihre atemberaubenden Schulden von über dreitausend Euro auf Ratenbasis abstottern durfte. Danach nahm ich ihr das Handy weg und besorgte

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