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Königskinder

Königskinder

Titel: Königskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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Macho-Allüren ab, wenn sie die volle Aufmerksamkeit eines Erwachsenen genießen. Oft zum ersten Mal im Leben. Und viele Kids, die den »Hyperaktiv«- oder »Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom«-Stempel aufgedrückt bekommen haben, entpuppen sich als lammfromme, total ruhige Wesen, wenn man sich die Zeit nimmt, sie als Menschen wahrzunehmen und zu würdigen.
    Nebenbei fuhr ich immer noch Taxi und war ein bisschen traurig, dass ich selbst wohl nie Vater werden würde. Ich hatte erkannt, wie wunderbar es ist, einem kleinen Menschen durchs Leben zu helfen. Ihn auf seine eigenen Beine zu stellen, ihm Liebe und Fürsorge zu geben. Doch ich würde das wohl auf ewig nur bei Fremden tun können. Denn um Vater zu werden, fehlte mir vor allen Dingen eins: eine Frau.
    Ich hatte Dates und Rendezvous, kleine, hoffnungsvolle Affären und One-Night-Stand-Intermezzi. Die Richtige war aber nicht in Sicht. Da waren vielleicht mal kleine Funken, aber in Flammen stand mein Herz nie. Vielleicht hatte das Schicksal einfach keine Frau für mich vorgesehen?
    Vielleicht bin ich einfach nicht der Typ Mann, der wahre Leidenschaft erleben kann.
    Vielleicht sind aber auch einfach nur meine Ansprüche zu hoch. Ich will nun einmal kein nettes, funktionales Beziehungsarrangement. Ich will die große Liebe – oder gar nichts. Da ist meine Vorstellung von Zweisamkeit: ein fester, eiserner Bund, geschmiedet aus Hingabe und bedingungsloser Liebe. Kein lockeres Geflecht aus ausreichender Kompatibilität. Vielleicht gibt es das gar nicht … aber ich will es trotzdem! Das ist der eine Punkt, in dem mein so oft gepriesener gesunder Menschenverstand mich immer wieder verlässt.
    Andererseits … Mmmh … Ich fragte mich nun schon einige Zeit, ob man dem Schicksal nicht irgendwie auf die Sprünge helfen könnte …
    *
    Als ich in die Firma kam, sah ich sofort, dass Kira – eine Studentin, die halbtags bei mir arbeitet – so selig lächelte, wie ich es früher auch getan hatte, als ich eine tolle Nacht voll Sex und Leidenschaft noch für Liebe hielt. Ich grinste sie an: »Na, Kira? Den Mann fürs Leben gefunden?«
    Sie strahlte.
    »Wie heißt er denn?«, fragte ich. »Und ist er gut im Bett?« Ich bin zugegebenermaßen nach wie vor etwas taktlos.
    Kira sah mich mit einem fast schon hochmütigen Ausdruck an. Als müsse sie mir, der alten, unbemannten Schachtel, etwas erklären. »Er heißt Tarik«, sagte sie. »Und wir hatten noch nichts zusammen. Nichts Körperliches jedenfalls. Wir haben die ganze Nacht nur geredet. Es war so schön, Simone! Er ist mein Seelenverwandter!«
    Da war es wieder, das böse Wort.
    »Wo hast du ihn denn kennengelernt?«, fragte ich.
    »Couplebank.«
    War das eine Band, bei deren Konzert sie nebeneinander getanzt hatten? Eine Bar? Ein Club, eine Lounge oder wie auch immer Kneipen heute heißen mögen.
    Kira, die meinen ahnungslosen Blick bemerkte, erklärte: »Das ist eine Partneragentur im Internet.«
    »Oh«, sagte ich. »Kontaktanzeigen.«
    Ich wollte es nicht, aber es klang ein wenig Verachtung in meiner Stimme mit. Das war doch die letzte Verzweiflungstat, so etwas. Oder?
    »Nee, keine Kontaktanzeigen«, korrigierte mich Kira. »Alles ganz wissenschaftlich. Man füllt einen sehr ausführlichen Fragebogen aus, und das System sortiert dann alle gemeldeten Männer danach, wie passend sie für dich sind. Du kannst dir von jedem das Profil anschauen und in Ruhe entscheiden, wen du kontaktest. Tarik und ich hatten 92 Prozent Kompatibilität! Er war der Allererste auf meiner Liste! Das ist echt voll das Ghetto-System!«
    »Wieso Ghetto?«, fragte ich irritiert nach. Für mich klang es dann doch erstaunlich einleuchtend und nicht nach einem obskuren Unterschichts-Schrott.
    »Na, weil es so geil ist!«, sagte Kira und schaute mich an, als ob ich beknackt wäre.
    »Ghetto ist geil?«
    »Na, voll krass eben. Porno … toll! Verstehst du?«
    Ich hasse Jugendslang. Etwas unwillig schüttelte ich den Kopf, aber das sah Kira schon nicht mehr, denn sie schwebte bereits in Richtung Lager davon, den Kopf zweifelsohne voller himmelblauer Gedanken an ihren Seelenverwandten.

    Als ich abends nach Hause kam, goss ich mir einen Rotwein ein und meldete mich bei Couplebank an. Als Usernamen wählte ich, weil es naheliegend war, Saraswati. Dann begann ich den Fragebogen auszufüllen. Mehr als schiefgehen konnte es ja nicht. Und was machte ein Reinfall mehr schon aus in meinem Leben?
    Die Fragen, die Couplebank mir stellte, waren nicht unbedingt

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