Königskinder
Stoffbezug. Und wenn Stoff: welche Farbe?
Mag ich Ocker?
*
»Wer von euch war schon wieder auf der Frauentoilette?«
Meine drei Mitbewohner schauten wahlweise betreten zu Boden oder mir genervt ins Gesicht. Doch keiner sagte etwas.
»Na los!«, forderte ich Jörn, Wolle und Ingo auf. »Ich weiß, dass einer von euch unser Klo benutzt hat! Die Brille ist vollgepisst und der Fußboden auch!«
Es ist unfassbar, wie viel Zeit ich in meinem Leben schon darauf verwandt habe, Männern Vorhaltungen über ihre Unfähigkeit zu machen, halbwegs zivilisiert eine Toilette zu benutzen. In der Zeit, die ich damit verplempert habe, irgendwelchen Kerlen so etwas wie eine Pinkel-Kultur beizubringen, hätte ich Japanisch lernen können. Oder eineinhalb Mal die Welt umrunden. Auf einem Klapprad.
In unserer WG im Hamburger Karolinenviertel, in der ich mit drei Männern und zwei Frauen ein ansonsten eher anarchisches Zusammenleben praktizierte, hatte ich darauf bestanden, dass wir die beiden Toiletten in der hundertfünfundvierzig Quadratmeter großen Wohnung nach Geschlechtern trennten. Doch die Jungs hielten sich einfach nicht dran.
»Du wolltest doch eine gemischte WG«, grinste Wolle. »Hättest ’ne Frauen-WG gründen sollen, wenn du im Sagrotan-Paradies leben willst.«
Tatsächlich hatte ich den Startschuss zu dieser Wohngemeinschaft gegeben und nacheinander alle fünf Mitbewohner zusammengesammelt. Diese WG war meine Schöpfung. Ich hatte bei den Jungs streng darauf geachtet, dass ich keinen von ihnen auch nur ansatzweise attraktiv fand, denn das war das Letzte, was ich wollte: sexuelle und emotionale Verwicklungen in meinen eigenen vier Wänden. Ich hatte mir fünf Mitbewohner gesucht, die ich wirklich mochte. Eigenwillige Exemplare allesamt, kauzig, wie ich es an Menschen eben schätze. Aber in Sachen urinaler Sorgfalt hätten sie gern etwas spießiger sein dürfen.
»Jörn«, sagte ich scharf und sah ihn an. »Hast du uns etwas zu sagen?«
Meine Mitbewohnerinnen Sanne (ja, meine Moskau-Mitreisende) und Luna, die aus dem Macholand Peru kam und sich nach vier Jahren in Deutschland immer noch nicht daran gewöhnt hatte, dass Frauen hier Männer anpflaumen dürfen, ohne eine Tracht Prügel dafür zu kassieren, taten so, als ob sie das alles nichts anginge. Luna war ein Mäuschen, und Sanne bevorzugte es, bei unseren Jungs als die pflegeleichte Kumpelfrau zu gelten. Das Gemecker überließen die beiden nur zu gern mir.
»Jörn?«, forderte ich unseren nachweislich planlosesten Pinkler noch einmal auf, zu gestehen.
»Was soll ich denn machen?«, maulte er. »Ich musste bei euch gehen. Unser Klo ist total eklig!«
»Wie wär’s denn mal mit sauber machen?«, fragte ich.
»Unser Klo ist jenseits aller Saubermachmöglichkeiten«, grinste Wolle. »Putzen ist da keine Option mehr.«
»Wir sollten es sprengen und ein neues bauen«, schlug Ingo vor.
»Ihr seid solche Arschlöcher!«, fand ich. »Warum setzt ihr euch nicht hin?«
»Zu umständlich«, erklärte Wolle.
»Ey, ich putze euer Klo, okay?«, versuchte Jörn einzulenken, weil er sah, dass ich bei Wolles Kommentar kurz davor war, richtig in die Luft zu gehen.
»Ja, und anschließend euer eigenes!«, beharrte ich. »Und wisst ihr was, Jungs! Wir Mädels schließen unsere Toilette jetzt ab! Und nur Sanne, Luna und ich haben den Schlüssel.«
»Na, nun übertreib mal nicht«, mischte sich Sanne ein. So viel zum Thema weibliche Solidarität.
»Das ist doch total uncool, deine Hausfrauennummer hier«, moserte Ingo. »Bist du die Doris Day des Kiezes, oder was?«
»Möchte jemand Kaffee«, fragte die süße Luna, die lieber plauderte als diskutierte.
»Wir können ja abstimmen«, schlug Wolle vor.
»Worüber?«, fragte ich. »Sollen wir abstimmen, ob ihr weiterhin unser Klo vollpissen dürft oder nicht oder was?«
»He, das ist hier ja voll so, als ob ich noch bei meinen Eltern lebe! Seid doch mal ein bisschen cooler«, nölte Ingo und drehte sich eine Zigarette. Tabakkrümel fielen auf den Küchenfußboden. Und garantiert würden Sanne, Luna oder ich sie irgendwann auffegen.
»Was ist eigentlich mit Glossler?«, wechselte Sanne das Thema, und unsere Strullermänner nahmen die Chance nur zu gern wahr, die lästige Diskussion über ihre Harnstoffbesudelungen ad acta zu legen.
»Ich hab noch mal mit meinem Informanten geredet«, sagte Wolle. »Die machen ganz klar Tierversuche! Hunde, Katzen, Hamster!«
»Das ist so … gefies!«, empörte sich Luna. Sie konnte
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