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Königskinder

Königskinder

Titel: Königskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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Klemme stecken, die kriegt ja gar keine Luft mehr …«, beharrte ich.
    »Also, mit meiner Mutter bin ich nie so richtig klargekommen«, sagte Sven. »Ich wäre eindeutig für zwei Schrauben.«
    »Ja klar. Zwei lange, harte, dicke Schrauben!«, spezifizierte Knut und zwinkerte Sven lachend zu. Der Riese nahm sein bescheuertes Papphütchen vom Kopf und setzte es mir auf. »Ich kröne dich hiermit zur sexy Königin von Schraubonien. Mögest du oft und gut gedübelt werden!«
    Susann führte das Gespräch von der zugegebenermaßen nur bedingt schlüssigen Schrauben-Mutter-Metapher und den Untiefen der Zote weg und fragte mich, was ich denn jetzt mit Olaf machen würde. »Er hat dir ja nichts getan«, sagte sie. »Ich meine, außer dass er sich in dich verliebt hat.«
    Ich seufzte, weil ich wusste, dass sie recht hatte. Ich war unglaublich gemein gewesen, als ich einfach so aus der Wohnung stürmte. Es war eines der widerlichsten Dinge, die ich je getan hatte. »Ich werde mich bei ihm entschuldigen.«
    »Aber nicht wieder mit ihm ins Bett gehen!«, mahnte Susann, und ich stellte erschrocken fest, dass sie mich offenbar besser kannte, als nach der kurzen Zeit möglich war. Es bestand tatsächlich die reelle Gefahr, dass ich meine Entschuldigung mit einem Blowjob unterstreichen würde. Und dann würde der ganze Ärger wieder von vorne anfangen.
    »Also, wenn ich noch mal in den Bereich des Heimwerker-Zubehörs zurückkehren dürfte«, mischte sich Piet grinsend ein. »Ich denke, die Lösung läge vielleicht in einem drehbaren Scharnier. Fest und flexibel zugleich.«
    Susann knuffte ihm in die Rippen. »Sei doch einmal ernst!«, tadelte sie.
    »Oder wie diese alten Fischertechnik-Systeme«, fuhr der stark angeschwipste Piet ungerührt fort. »Wo man dieselben Bauteile immer wieder neu zusammensetzen konnte.«
    Ich nahm das nächste Schnapsglas, das Sven mir reichte, und sagte: »Also mal angenommen, so eine Beziehung wäre eine Soße …«
    »Wie? Soße?«, fragte Sven.
    »Na, zum Essen! Soße eben«, fuhr ich fort. »Und wenn der Mann die Mehlschwitze ist und die Frau die Gewürze und die Kräuter, dann ist er die Basis, die alles zusammenhält und sie ist die, die den Geschmack hineinbringt und die Würze und die letztlich den Unterschied macht und …«
    »Du vergleichst menschliche Beziehungen mit einer Mehlschwitze?«, fragte Sven. »Interessanter Ansatz.«
    »Ich denke, wir müssen mehr in Form von Bewegung denken«, meldete sich Clarissa-Knut zu Wort. »Angenommen der Mann ist der Motor und die Frau die Innenausstattung und das Armaturenbrett. Würde dieses Beziehungsauto dann irgendwo ankommen?«
    »Kommt das nicht auch auf die Straße an … und die Schlaglöcher?«, wollte ich wissen.
    »Genau, die Schlaglöcher des Lebens!«, lachte Piet, und wir alle stimmten in das Gelächter ein.
    »Nee, jetzt im Ernst …«, hakte ich dann noch einmal nach, aber Sven hob abwehrend die Hand.
    »Warte einen Moment, ich muss mal pinkeln«, sagte er und begann, sich durch die Menschenmenge zu kämpfen.
    Aus dem Lautsprecher quäkte das Maschendrahtzaun-Lied. Es war ein surreales Silvester.
    *
    Ich war ganz sicher ein erbärmlicher Anblick. Jene Art von Mann, an der Mütter hastig ihre Kinder vorbeizerren und ihnen dabei zuflüstern: »Nicht hinschauen!« Doch in dieser Nacht waren Gott sei Dank keine Mütter mit Kindern unterwegs und ich ging in der Masse unter. Niemand bemerkte mich, als ich mich wie der letzte Penner benahm.
    Ich hatte von einem geschäftstüchtigen Mann, der mit einem Korb voll Aldi -Sektflaschen herumlief und sie zum stolzen Stückpreis von zwanzig Mark verkaufte, zwei Buddeln erstanden und trank sie nun zügig nacheinander aus. Eine Flasche hatte ich bereits geleert, mit der zweiten kam ich gut voran, obwohl mein Magen langsam zu revoltieren begann. Mir war immer noch mulmig und schwindelig – aber wenigstens wusste ich jetzt, wieso.
    »Hast du ’ne Ahnung, wo hier die Toiletten sind?«, fragte mich plötzlich ein Mann, der neben mir auftauchte. Er war etwa zehn Jahre älter als ich und hatte den modischsten Haarschnitt, den ich je gesehen hatte.
    »Nö, tut mir leid«, sagte ich und hielt ihm die Flasche hin. »Willste ’nen Schluck?«
    Der Mann zuckte mit den Schultern, Marke: Wieso nicht?, und setzte die Pulle an.
    »Furchtbare Plörre!« Er nahm noch einen Schluck und grinste mich an. »Jetzt muss ich noch dringender eine Toilette finden.«
    Ich wollte nicht mehr allein in der Ecke stehen –

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