Königskinder
entschuldigte mich auch nur halbherzig. Seine erbärmliche Akzeptanz meines Verhaltens hatte meine ursprüngliche Zerknirschtheit ziemlich schwinden lassen. Ich meine: So schlimm kann es ja nicht gewesen sein, was ich ihm angetan habe, wenn er danach noch seelenruhig die Küche aufräumte, anstatt sie vor lauter Wut und Verzweiflung in Trümmer zu schlagen! Wie sich das für einen richtigen Kerl gehört hätte.
Kurz: Wir trennten uns »wie zwei zivilisierte Menschen«. Ich habe ihn eben mal gegoogelt, weil ich neugierig war, was aus ihm geworden ist. Alles, was ich gefunden habe, waren drei Foren-Einträge von ihm im Eltern-Pinboard des Brigitte -Forums. Es ging um Drei-Monats-Koliken und Sehfehler-Korrekturen bei Kleinkindern. Er ist also Vater geworden. Gut für ihn. Ich hoffe, seine kleinen Scheißer bringen ihn mal ein bisschen auf Trab.
In der Nach-Olaf-WG hielt ich es knapp eineinhalb Jahre aus. Dann hatte ich endgültig die Schnauze voll. Ich hatte einfach keine Lust mehr auf ständige Diskussionen über Küchendienst, auf die blöde Paula, die sich immer bei mir über ihre unglücklichen Liebschaften ausheulen wollte, und auf Zuppe, der Alkoholiker war und ständig die Wohnungstür offen ließ, wenn er hinausging, und auf dem Sofa einzuschlafen pflegte, während der Herd eingeschaltet war oder er gerade Wasser in die Wanne laufen ließ.
Ich zog in eine eigene, kleine Zweizimmerwohnung in Kreuzberg. Ja: Ich war jetzt Einzelmieter! Das hieß ja schließlich nicht, dass ich sozial isoliert sein musste.
Ich lernte immer noch viele Menschen kennen, aber ich sammelte sie nicht mehr. Und irgendwann merkte ich, dass es mir immer weniger gelang, an ihnen festzuhalten, auch wenn das schon früher nicht gerade eine Stärke von mir war. Vielleicht waren meine Ansprüche gestiegen, vielleicht erfüllte ich die Ansprüche meiner Bekanntschaften nicht? Um ganz ehrlich zu sein: Ich begann, glaube ich, ein klein wenig wunderlich zu werden. Es ist schon ein bisschen grotesk, was ich damals in Berlin alles unternommen habe, um nicht in Stillstand zu geraten, Menschen kennenzulernen, das Leben nicht auf Abstand zu mir kommen zu lassen: Zum Beispiel zwei Yoga-Klassen. Bei der einen bin ich immer eingeschlafen, weil die Trainerin so eine Langweilerin war. Mein Schnarchen hat die anderen genervt, also ging ich. Bei der anderen Yoga-Klasse habe ich mit dem Trainer geschlafen. Und das war so mies, dass ich mich hinterher nicht mal mehr auf der Matte in seinem Trainingsraum entspannen konnte.
Ich habe mich auch in einem Fitness-Studio angemeldet. Nirgendwo habe ich mich je minderwertiger, wabbeliger und kränklicher gefühlt als dort! Ich war insgesamt nur siebenmal da. Die Mitgliedschaft lief aber über ein Jahr. Ich glaube, davon leben diese Studios: Von schnell schlappmachenden, aber wacker zahlenden Frauen wie mir.
Ich habe versucht, Kulturkritiken für die tageszeitung zu schreiben; eine Frau aus dem ersten Yoga-Kurs war dort Redakteurin. Doch nach zwei Kritiken war auch diese Karriere beendet. Die Yoga-Redakteurin fand meinen Stil zu »volkstümlich«. Was immer das heißen mag.
Ich habe es mit fünf verschiedenen Volkshochschulkursen versucht: Töpfern, Literaturgeschichte, Makramee, Konversations-Englisch und Spanisch für Anfänger. Bei keinem Kurs blieb ich länger als sechs Wochen. Ich habe brasilianisches Trommeln probiert und bei einem australischen Studenten Digeridoo spielen lernen wollen. Er fand, ich blies gut. Allerdings nicht das Instrument. Ich kleine Schlampe, ich. Aber hin und wieder brauchte ich nun mal physische Nähe.
Ich habe eine Menge herumgemacht in dieser Zeit. Es tat, ehrlich gesagt, jedes Mal wieder ein bisschen weh, wenn ich manchmal schon am nächsten Morgen, manchmal erst ein paar Tage später begriff, dass es wieder nicht mehr gewesen war als Sex. Wenn ich den Mann so interessant fand, dass ich ihn gern wiedergesehen hätte, signalisierte er mir früher oder später, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Und bei den Typen, für die es mehr als bloß ein One-Night-Stand war, handelte es sich stets um olaf-artige Luschen und Langweiler. Es war schmerzhaft. Aber ich gewöhnte mich langsam daran. Zumindest halbwegs. Wahrscheinlich war es einfach so. Es war wohl mein Schicksal.
Ich jobbte inzwischen an dem Sushi-Imbissstand vor dem Bahnhof Zoo. Es war ein Scheißjob. Stinklangweilig. Die Sushi wurden dreimal am Tag bei mir abgeliefert; ich verpackte und verkaufte sie bloß. Zumeist an
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