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Königsklingen (First Law - Band 3)

Königsklingen (First Law - Band 3)

Titel: Königsklingen (First Law - Band 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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sollte, nachdem er so lange unterwegs gewesen war. Jeder Offizier, der ihm einfiel, war mit dem Heer in Angland, jedenfalls soweit er wusste. Vermutlich hätte er sich an Lord Marschall Varuz wenden können, wenn er es wirklich gewollt hätte, aber inzwischen hatte er genug über Gefahren gelernt, um ihnen nicht willentlich entgegenzueilen. Er würde seine Pflicht tun, wenn man es von ihm verlangte. Aber dafür würde man ihn zunächst einmal aufspüren müssen.
    In der Zwischenzeit gab es andere Dinge, um die er sich kümmern musste. Allein der Gedanke daran versetzte ihn gleichzeitig in Angst und Aufregung, und er schob sich einen Finger in den Kragen und zerrte an dem Stoff, um den Druck auf seine Kehle zu vermindern. Es nützte nichts. Aber, wie Lögen Neunfinger immer so gern gesagt hatte: Wenn man etwas tun muss, vor dem man sich fürchtet, dann geht man die Sache besser gleich an, statt lange mit der Angst zu leben. Er nahm seinen Paradedegen zur Hand, doch nachdem er eine Minute lang auf die unsinnigen Messingverzierungen am Griff gestarrt hatte, warf er die Waffe zu Boden und schob sie mit einem Fußtritt unter das Bett. Erscheine geringer, als du bist, hätte Logen gesagt. Also nahm er sein von der Reise abgeschabtes langes Eisen wieder an sich und steckte es durch die Schlaufe in seinem Gürtel, holte tief Luft und ging aus der Tür.
    Die Straße hatte überhaupt nichts Einschüchterndes an sich. Sie lag in einem ruhigen Viertel der Stadt, abseits des lebhaften Handels und des lärmenden Gewerbes. In einer Nebenstraße bot ein Scherenschleifer mit kehliger Stimme seine Dienste an. Unter den Dachvorsprüngen der bescheidenen Häuser gurrte eine Taube. Irgendwo in der Nähe ertönte das Geräusch klappernder Hufe und knirschender Wagenräder und entfernte sich wieder. Ansonsten war alles still.
    Er war bereits einmal in jede Richtung am Haus vorübergegangen und wagte es nicht, das noch einmal zu tun, weil er fürchtete, Ardee könne ihn aus einem der Fenster erblicken, ihn erkennen und sich fragen, was zur Hölle er dort trieb. Also schlenderte er nun den oberen Teil der Straße entlang und übte, was er sagen wollte, wenn sie die Tür öffnete.
    »Ich bin zurückgekehrt.« Nein, viel zu geschraubt. »Hallo, wie geht es Ihnen?« Nein, viel zu lässig. »Ich bin es, Luthar.« Zu steif. »Ardee ... ich habe Sie vermisst.« Zu bedürftig. Als er entdeckte, dass ihn ein Mann aus einem Fenster im oberen Stockwerk finster ansah, hüstelte er und ging nun schnellen Schrittes zu Ardees Haus hinüber, wobei er immer wieder vor sich hinmurmelte. »Die Sache gleich angehen, die Sache gleich angehen ...«
    Seine Faust schlug gegen die Tür. Dann stand er da und wartete, und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Der Riegel klickte, und Jezal setzte sein gewinnendstes Lächeln auf. Die Tür öffnete sich, und vor ihm stand ein kurz gewachsenes, rundgesichtiges und höchst unattraktives Mädchen, das ihn von der Schwelle aus anstarrte. Es bestand kein Zweifel: Wie auch immer sich die Dinge geändert haben mochten, das war nicht Ardee. »Ja?«
    »Ähm ...« Ein Dienstmädchen. Wie hatte er nur so dumm sein können zu glauben, dass Ardee höchstselbst die Haustür öffnen würde? Sie war zwar eine Bürgerliche, aber doch keine Bettlerin. Er räusperte sich. »Ich bin zurückgekehrt ... ich meine ... wohnt Ardee West hier?«
    »Das tut sie.« Das Dienstmädchen öffnete die Tür nun weit genug, dass Jezal in den düsteren Flur treten konnte. »Wen darf ich melden?«
    »Hauptmann Luthar.«
    Ihr Kopf fuhr herum, als ob er an einem unsichtbaren Band befestigt sei, an dem jemand mit einem Ruck gezogen hatte. »Hauptmann ... Jezal dan Luthar?«
    »Ja«, murmelte er überrascht. Hatte Ardee vielleicht mit dieser Bediensteten über ihn gesprochen?
    »Oh ... oh, wenn Sie einen Augenblick warten wollen ...« Das Mädchen deutete auf eine Tür und eilte mit aufgerissenen Augen davon, als ob der Imperator von Gurkhul auf Besuch gekommen sei.
    Das düstere Wohnzimmer wirkte, als ob es jemand eingerichtet hätte, der zu viel Geld, zu wenig Geschmack und nicht annähernd genug Platz für die eigenen Ambitionen besaß. Es gab einige grell bezogene und aufwändig gepolsterte Stühle, eine übergroße und übertrieben verzierte Vitrine, und an einer Wand hing ein Gemälde, für das man, wenn es nur ein wenig größer gewesen wäre, die Wand zum Nachbarhaus hätte einreißen müssen. Zwei staubdurchwirbelte, breite Lichtstrahlen blitzten durch

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