Königsklingen (First Law - Band 3)
sagte er, neigte den Kopf und spürte sofort ein besonders unangenehmes Stechen in seinem Nacken. Cosca, der gerade zu ihm aufschloss, vollführte eine übertriebene Verbeugung und hob die Hand, um sein Barett zu ziehen. Es war verschwunden. Entschuldigend zuckte er die Achseln und zupfte stattdessen an seiner fettigen Stirnlocke.
Luthar sah ihn und auch die anderen ihrer seltsamen Gruppe mit gefurchter Stirn an. In der hinteren Reihe des königlichen Gefolges schien sich jemand zu verbergen. Eine schwarzgoldene Robe zwischen all dem polierten Stahl.
Sollte das etwa ... unser alter Freund, der Kronrichter, sein? Aber der ist doch in gefrorene Stücke ...
Und dann schlurfte Ardee um die Ecke.
Luthars Augen weiteten sich. »Ardee ...«
»Jezal ...« Sie sah ebenso überrascht aus wie er. »Ich meine ...«
Und in diesem Augenblick zerriss eine enorme Explosion die Luft.
Der Mittenweg war nicht mehr das, was er einmal gewesen war.
West und sein Stab ritten fassungslos schweigend nach Norden. Die Hufe ihrer Pferde schlugen auf die gesprungene Straße. Ein elendiger Vogel zirpte von den nackten Dachbalken eines ausgebrannten Hauses. In einer Seitenstraße rief jemand um Hilfe. Von Westen war immer noch vager Kampfeslärm zu hören, wie von einem weit entfernten Sportereignis, bei dem es jedoch keine Gewinner gab. Feuer war durch das Herz der Stadt gerast und hatte ganze Straßenzüge in schwarze Ruinen verwandelt, die Bäume in graue Klauen und die Gärten in Flecken voller Dreck und Verfall. Und Leichen lagen überall. Leichen jeder Art und jeder Größe.
Die Vier Ecken waren ein Schlachthof, übersät mit dem hässlichen Abfall des Krieges, umsäumt von den Ruinen einiger der schönsten Gebäude, die es in Adua einst gegeben hatte. In der Nähe hatte man die Verwundeten in langen Reihen auf den staubigen Boden gelegt. Sie husteten, stöhnten, schrien nach Wasser, und blutverschmierte Feldscherer liefen hilflos zwischen ihnen umher.
Einige grimmige Soldaten schichteten bereits die gurkhisischen Toten zu formlosen Haufen aus verdrehten Armen, Beinen, Gesichtern auf. Sie wurden von einem hochgewachsenen Mann überwacht, der die Hände fest hinter dem Rücken hielt. General Kroy, immer sofort bemüht, wieder für Ordnung zu sorgen. Seine schwarze Uniform war mit grauer Asche besudelt, und ein aufgerissener Ärmel umspielte sein Handgelenk. Die Kämpfe mussten wirklich hart gewesen sein, dass sein sonst stets so makelloses Äußeres derart gelitten hatte, aber sein militärischer Gruß blieb davon unberührt – er hätte auf dem Übungsplatz nicht perfekter ausfallen können.
»Wie geht es voran, Herr General?«
»In der Mitte der Stadt wurde bitter gekämpft, Herr Marschall! Unsere Reiterei konnte diesen Morgen durchbrechen und den Feind überrumpeln. Dann setzte er jedoch zum Gegenangriff an, während wir noch auf die Fußtruppen warteten. Ich schwöre, dieser kleine Flecken Erde wechselte ein Dutzend Mal die Fronten. Aber jetzt halten wir die Vier Ecken! Die Gurkhisen kämpfen hart um jeden Schritt Boden, aber wir haben sie bis an den Arnaultwall zurückgedrängt. Nun sehen Sie sich das mal an!« Er deutete auf zwei gurkhisische Standarten, die gegen eine bröckelnde Mauer gelehnt waren. Die goldenen Zeichen schimmerten hell inmitten der düsteren Zerstörung, die sie umgab. »Die wären doch eine herrliche Zierde für jedes Wohnzimmer, oder?«
West konnte nicht anders, sein Blick wanderte tiefer und fiel auf ein paar Verwundete, die hingestreckt vor der Mauer lagen. »Ich wünsche Ihnen viel Freude daran. Der Agriont?«
»Von dort gibt es leider weniger gute Nachrichten. Wir bedrängen sie hart, aber die Gurkhisen sind uns zahlenmäßig überlegen. Sie haben die Zitadelle immer noch völlig umstellt.«
»Dann bedrängen Sie sie stärker, Herr General!«
Kroy antwortete mit einem neuerlichen präzisen Gruß. »Jawohl, Herr Marschall, wir werden die Belagerung aufbrechen, machen Sie sich keine Sorgen. Darf ich fragen, wie es General Poulder unten am Hafen ergangen ist?«
»Der Hafen ist wieder in unserer Hand, aber General Poulder ... ist tot.«
Es folgte eine Pause. »Tot?« Kroys Gesicht war todesbleich geworden. »Aber wie ist er ...«
Ein Grollen ertönte, wie weit entfernter Donner, und die Pferde scheuten und stampften. West, Kroy und all die anderen Offiziere wandten das Gesicht gleichzeitig nach Norden. Dort stieg über den geschwärzten Ruinen der Gebäude an dem Platz eine große Staubwolke
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