Königsklingen (First Law - Band 3)
grimmig zum Marschallsplatz.
Ferro hatte sich auf den Boden gehockt und die Hände über den Kopf gelegt, als das dröhnende Echo von den hohen weißen Wänden widerhallte. Ein Stein von der Größe eines Männerkopfes war vom Himmel gefallen und ein paar Schritt entfernt auf dem Boden in Stücke geborsten. Schwarze Kiesel rollten über das blasse Sägemehl. Ein zehnmal größerer Steinblock schlug durch das Dach eines Hauses, und die Fenster zerbarsten in kleine Splitter. Staub stieg in grauen Wolken von den Straßen auf und wehte über den Platz. Allmählich ließ der Lärm nach. Der von Menschen gemachte Hagelsturm verebbte, und es folgte gewichtiges Schweigen.
»Und nun?«, grollte sie Bayaz entgegen.
»Nun werden sie kommen.« In den Straßen ertönte irgendwo ein Krachen, Männer schrien, und dann folgte ein langer Schrei, der plötzlich abbrach. Er wandte sich ihr zu, und seine Kiefermuskeln mahlten nervös. »Sobald wir angefangen haben, bewegst du dich nicht vom Fleck. Nicht um Haaresbreite. Die Kreise wurden ganz sorgsam ...«
»Denk lieber an deine eigenen Aufgaben, Magus.«
»Dann werde ich das tun. Öffne die Kiste, Ferro.«
Sie stand da, verzog das Gesicht und rieb mit den Fingerspitzen über ihre Daumen. Sobald die Kiste geöffnet worden war, würde es kein Zurück mehr geben, das spürte sie.
»Jetzt!«, fuhr Bayaz sie an. »Jetzt, wenn du deine Rache willst!«
»Sssss.« Aber die Zeit, da sie hätte umkehren können, lag schon lange hinter ihr. Sie hockte sich auf den Boden und legte die Hand auf das kühle Metall des Deckels. Ein dunkler Pfad war der einzige Weg. So war es immer gewesen. Sie fühlte den versteckten Haken und drückte ihn nach innen. Der Deckel schwang geräuschlos auf, und die seltsame Erregung rann wie ein kleiner Bach hervor, dann wie ein Fluss, spülte über ihren Körper wie eine Welle, dass ihr der Atem stockte.
Der Samen lag in der Kiste, ruhte auf den Metallspiralen, ein matter, grauer, unauffälliger Klumpen Stein. Sie schloss ihre Finger darum. Bleischwer und eiskalt hob sie ihn heraus.
»Gut.« Aber Bayaz verzog das Gesicht, als er sie ansah, und Angst und Ekel standen darin geschrieben. Sie streckte ihm den Samen hin, und er wich zurück. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. »Komm nicht näher!«
Ferro schlug den Deckel der Kiste zu. Zwei unionistische Wächter in voller Rüstung suchten Deckung auf dem Platz, schwere Schwerter in der Faust. Angst lag in ihren Bewegungen, als wichen sie vor einem ganzen Heer zurück. Aber lediglich ein Mann bog um die Ecke. Ein Mann in weißer Rüstung, die mit schimmerndem Metall verziert war. Sein dunkles Gesicht war jung und glatt und schön, aber seine Augen wirkten alt. Ferro hatte ein solches Gesicht schon einmal gesehen, in den Wüsten Landen in der Nähe von Dagoska.
Ein Verzehrer.
Die zwei Wachleute griffen ihn gemeinsam an, einer stieß einen schrillen Schlachtruf aus. Der Verzehrer wischte ihre Schwerter mühelos beiseite, sprang plötzlich so schnell vor, dass die Bewegung kaum zu sehen war, und erwischte einen der Unionisten mit einem nachlässigen Hieb seiner offenen Hand. Ein hohles Geräusch ertönte, als er Schild und Brustpanzer durchschlug und den Mann in die Luft schleuderte. Er fiel etwa zwanzig Schritt von dort, wo er gestanden hatte, wieder auf den Boden, überschlug sich und hinterließ dunkle Flecken auf dem blassen Sägemehl. Schließlich blieb er nicht weit von Ferro entfernt liegen, hustete einen dicken Schwall Blut hervor und lag still.
Der andere Wachmann wich zurück. Der Verzehrer sah ihn an, und Traurigkeit lag auf seinem vollkommenen Gesicht. Die Luft um ihn begann zu flimmern, das Schwert des Unionisten fiel zu Boden, dann stieß er einen krächzenden Schrei aus und hielt sich den Kopf. Er platzte, und Knochen und Fleisch spritzten gegen die Wände der weißen Gebäude hinter ihm. Der kopflose Körper stürzte zu Boden. Dann folgte eine Pause.
»Willkommen im Agriont!«, rief Bayaz.
Ferros Augen wurden von einer blitzartigen Bewegung angezogen. Hoch über ihnen glitt eine Gestalt in weißer Rüstung über ein Dach. Mit einem unmöglichen Sprung überwand sie die Kluft bis zum nächsten Haus und verschwand dann außer Sichtweite. Auf der Straße floss eine Frau aus den Schatten und erreichte den Platz, in einen schimmernden Kettenpanzer gekleidet. Sie schwang die Hüften, als sie sich näherte, ein glückliches Lächeln auf dem makellosen Gesicht und einen langen Speer
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