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Königsklingen (First Law - Band 3)

Königsklingen (First Law - Band 3)

Titel: Königsklingen (First Law - Band 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Glasscheibe, unter der eine große Leere lauerte. Sie drehte ihre zitternde Hand um, und der Samen fiel heraus.
    Wie aus einem Mund schleuderten die Stimmen ihren harten Befehl heraus.
»Nein!«
    Blind packte sie den Deckel. »Fickt euch doch selbst!«, zischte sie.
    Und mit letzter Kraft drückte sie die Kiste zu.

NACH DEM REGEN
    Logen lehnte an der Brüstung, hoch oben auf einem Turm an einer Seite des Palasts, und hielt sein düsteres Gesicht in den Wind. Er hatte schon einmal so dagestanden, damals, oben auf dem Kettenturm. Es kam ihm so vor, als sei es Jahrhunderte her. Wie vom Donner gerührt hatte er über die endlose Stadt geblickt und sich gefragt, ob er sich je hätte träumen lassen, dass Menschen etwas so Stolzes, Schönes und Unzerstörbares erbauen konnten.
    Bei den Toten, wie sich die Zeiten änderten.
    Die grüne Rasenfläche des Parks war mit herabgefallenen Trümmern übersät, die Bäume verbrannt, das Gras hinweggesprengt, und die Hälfte des kleinen Sees war versickert und zu einem schlammigen Sumpf geworden. An seinem westlichen Ufer stand noch eine lange Zeile weißer Häuser, wenn auch mit gähnend leeren Fenstern. Noch weiter im Westen hatten die Gebäude keine Dächer mehr, und die Dachsparren ragten nackt in den Himmel. Noch weiter, und die Wände waren geborsten und eingestürzt, leere Ruinen, von Schutt erstickt.
    Dahinter war nichts mehr. Die große Halle mit der goldenen Kuppel – verschwunden. Der Platz, auf dem Logen das Schwerterspiel mit angesehen hatte – nicht mehr da. Der Kettenturm und die mächtige Mauer an seinem Sockel und all die großartigen Gebäude, über deren Dächer Logen damals auf seiner Flucht mit Ferro geklettert war – alles weg.
    Ein kolossaler Kreis der Zerstörung hatte sich über die Westseite des Agrionts gelegt und nur formlose Trümmer hinterlassen. Die Stadt dahinter war von schwarzen Narben gezeichnet, und weiterhin stieg Rauch von einigen der letzten Brände und von qualmenden Schiffsrümpfen auf, die noch in der Bucht trieben. Das Haus des Schöpfers überragte diesen Anblick, ein scharf umrissener schwarzer Block unter den dräuenden Wolken, ungerührt und unberührbar.
    Logen stand da und kratzte sich immer wieder an der vernarbten Seite seines Gesichts. Seine Wunden schmerzten. So viele Wunden. Jeder Körperteil war zerschlagen und geprellt, zerstochen und geschlitzt. Von dem Kampf mit dem Verzehrer, der Schlacht vor dem Burggraben, dem Zweikampf mit dem Gefürchteten, den sieben Tagen Gemetzel auf den Hohen Höhen. Durch Hunderte von Kämpfen, Scharmützeln und frühere Kriegszügen. Zu viele, um sich an einzelne zu erinnern. So müde, wund und elend.
    Missmutig sah er auf seine Hände, die auf der Brustwehr ruhten. An der Stelle, wo früher einmal sein Mittelfinger gewesen war, blickte ihn der nackte Stein an. Er war immer noch Neunfinger. Der Blutige Neuner. Ein Mann, aus Tod gemacht, ganz, wie Bethod gesagt hatte. Gestern hätte er beinahe den Hundsmann umgebracht, und das wusste er sehr wohl. Seinen ältesten Freund. Seinen einzigen Freund. Er hatte das Schwert schon erhoben, und nur ein winziger Wink des Schicksals hatte ihn daran gehindert, es auch tatsächlich zu tun.
    Er erinnerte sich, wie er ebenso hoch oben auf einem Balkon der großen Bibliothek des Nordens gestanden und über das leere Tal geblickt hatte, dessen stiller See wie ein großer Spiegel schimmerte. Damals hatte er den Wind auf seinem frisch rasierten Gesicht gespürt und sich gefragt, ob ein Mann sich ändern konnte.
    Nun wusste er die Antwort.
    »Meister Neunfinger!«
    Logen wandte sich hastig um und zischte durch die Zähne, als die Stiche an seiner Seite zu brennen begannen. Der Erste der Magi trat durch die Tür ins Freie. Er jedoch hatte sich tatsächlich irgendwie verändert. Er sah jung aus. Sogar noch jünger als damals, als Logen ihn kennen gelernt hatte. Seine Bewegungen hatten eine gewisse Schärfe, und seine Augen glänzten. Es kam ihm sogar so vor, als seien ein paar schwarze Haare in dem grauen Bart, der sein freundliches Lächeln umrahmte. Das erste Lächeln, das Logen seit einer ganzen Weile sah.
    »Seid Ihr verletzt?«, fragte er.
    Logen saugte bitter an seinen Zähnen. »Ist wohl kaum das erste Mal.«
    »Und es wird nicht leichter.« Bayaz stützte die kräftigen Hände auf die steinerne Brüstung neben Logens und sah glücklich über die Stadt. Als ob sich unter ihm ein Blumenmeer und nicht ein unglaubliches Ausmaß von Zerstörung erstreckte. »Ich

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