Königsklingen (First Law - Band 3)
unvollkommen die Geringschätzung, die darunter lag.
»Was gibt es denn jetzt?« Endlich drehte sich Jezal zu ihm um. Überrascht stellte er fest, dass der Magus seine Staatsgewänder gegen seinen alten, abgenutzten Reisemantel und die schweren Stiefel getauscht hatte, die er auf ihrer unglückseligen Reise in den zerstörten Westen getragen hatte. »Fahren Sie irgendwohin?«, fragte Jezal und wagte das gleichzeitig kaum zu hoffen.
»Ich verlasse Adua. Noch heute.«
»Heute?« Nur mit Mühe konnte Jezal sich beherrschen, um nicht in die Luft zu springen und Freudenschreie auszustoßen. Er fühlte sich wie ein Gefangener, der aus seinem stinkenden Kerker in das helle Sonnenlicht der Freiheit tritt. Nun würde er Adua so aufbauen können, wie er es für geraten hielt. Er konnte den Geschlossenen Rat neu zusammenstellen und seine eigenen Berater wählen. Vielleicht konnte er sogar die Ehefrau loswerden, die Bayaz ihm aufgebürdet hatte. Er würde frei sein, das Rechte zu tun, was immer das dann sein mochte. Er würde zumindest die Freiheit genießen, herauszufinden zu können, was das Rechte war. War er nicht schließlich Hochkönig der Union? Wer würde es wagen, sich ihm in den Weg zu stellen? »Wir bedauern natürlich sehr, Sie zu verlieren.«
»Das kann ich mir vorstellen. Zuvor müssen jedoch noch einige Vorbereitungen getroffen werden.«
»Wenn es denn sein muss.« Er war zu allem bereit, solange er den alten Drecksack nur endlich loswürde.
»Ich habe mit Ihrem neuen Erzlektor Glokta gesprochen.«
Schon allein der Name ließ ihn vor Abscheu schaudern. »Tatsächlich?«
»Ein scharfsichtiger Mann. Er hat mich sehr beeindruckt. Ich habe ihn gebeten, während meiner Abwesenheit im Geschlossenen Rat an meiner statt zu sprechen.«
»Wirklich?«, meinte Jezal, der sich im Stillen fragte, ob er den Krüppel sofort von seinem Posten verjagen sollte, sobald der Magus durch das Stadttor geschritten war, oder ob er lieber noch einen Tag wartete.
»Ich würde Ihnen empfehlen«, und das klang plötzlich sehr nach einem Befehl, »dass Sie sich seine Ansichten sehr genau anhören.«
»Oh, das werde ich natürlich. Viel Glück für Ihre Rückreise nach ...«
»Ich würde Sie sogar bitten, genau das zu tun, was er sagt.«
Ein kalter Knoten Zorn bildete sich in Jezals Kehle. »Sie wollen mich damit also im Grunde auffordern, ihm zu ... gehorchen?«
Bayaz’ Augen ruhten fest auf den seinen. »Im Grunde ... ja.«
Einen Augenblick war Jezal sprachlos. Wie wagte der Magus es nur, davon ausgehen, dass er kommen und gehen konnte, wie er wollte, während er seinem verstümmelten Lakaien die Aufsicht übertrug? Über einen König in seinem eigenen Königreich? Welch unglaublicher Hochmut von diesem Mann! »Sie haben sich in letzter Zeit sehr stark in meine Angelegenheiten eingemischt«, blaffte ihn Jezal an. »Ich habe nicht die Absicht, einen anmaßenden Ratgeber durch den nächsten zu ersetzen.«
»Der Mann wird für Sie sehr nützlich sein. Für uns. Es werden Entscheidungen gefällt werden müssen, mit denen Sie sich schwertun werden. Und es werden Dinge getan werden müssen, die Sie nicht gern selbst übernehmen werden. Menschen, die in schimmernden Palästen wohnen, brauchen andere, die bereit sind, ihren Dreck wegzukehren, denn sonst häuft er sich auf den polierten Fluren und begräbt sie eines Tages. Das ist doch alles ganz einfach und offensichtlich. Sie haben mir nicht zugehört.«
»Nein! Sie sind derjenige, der nicht zugehört hat! Sand dan Glokta? Dieser verkrüppelte Bastard ...« Er erkannte seine unglückliche Wortwahl, aber nun musste er dessen ungeachtet weiter voranpreschen und wurde dabei immer wütender. »Und der sitzt neben mir im Geschlossenen Rat? Glotzt mir an jedem Tag meines Lebens über die Schulter? Und jetzt soll er mir auch noch Anweisungen geben? Das ist unannehmbar. Unerträglich. Unmöglich! Wir leben nicht mehr in den Zeiten Harods des Großen! Ich habe keine Ahnung, was Sie zu der Überzeugung bringt, Sie könnten auf diese Weise mit mir reden. Ich bin hier König und lasse mich nicht herumschubsen!«
Bayaz schloss die Augen und zog langsam durch die Nase den Atem ein. Als suche er die Geduld aufzubringen, einen Schwachsinnigen zu unterweisen. »Sie können nicht begreifen, was es bedeutet, so lange gelebt zu haben wie ich. Zu wissen, was ich weiß. Ihr Leute seid im Nu tot, und ständig muss man euch dieselben Lektionen aufs Neue beibringen. Dieselben Lektionen, die Juvens Stolicus
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