Königsklingen (First Law - Band 3)
entlangschritt. Sein kahler Schädel schimmerte in der Sonne. Neben ihm ging Yoru Sulfur, in einer Hand seinen Stab, unter dem anderen Arm eine Kiste aus dunklem Metall. Jene Kiste, die Jezal, Logen und Ferro in einem Karren um das halbe Weltenrund gefolgt war. Wie glücklich erschienen ihm jene Tage jetzt.
Bayaz hielt unvermittelt inne, wandte sich um und hob den Kopf. Dann sah er direkt zum Fenster hinauf.
Jezal drückte sich mit einem Wimmern des Entsetzens gegen die Vorhänge, und sein ganzer Körper zitterte; das Abbild des unerträglichen Schmerzes, kalt wie Eis, war noch immer in seine Eingeweide eingegraben. Der Erste der Magi blieb noch einen Augenblick länger dort stehen, und der Hauch eines Lächelns lag auf seinem Gesicht. Dann drehte er sich um, schritt zwischen den beiden sich verbeugenden Rittern der Wacht hindurch, die das Tor flankierten, und war verschwunden.
Jezal kniete am Boden und klammerte sich an die Vorhänge wie ein Kind an seine Mutter. Er dachte daran, wie glücklich er einst gewesen war und wie wenig er das zu jener Zeit erkannt hatte. Wie er Karten gespielt hatte, im Kreis von Freunden, vor sich eine leuchtende Zukunft. Er holte tief Luft, und Tränen schnürten ihm die Kehle zu und stiegen ihm in die Augen. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so allein gefühlt. Sohn von Königen? Er hatte nichts und niemanden. Er schluckte und schniefte. Sein Blick wurde verschwommen. Dann schüttelten ihn hilflose Schluchzer, seine vernarbte Lippe zitterte, und die Tränen tropften auf die Fliesen.
Er weinte vor Schmerz und Angst, vor Scham und Zorn, vor Enttäuschung und Hilflosigkeit. Aber Bayaz hatte recht gehabt. Er war ein Feigling. Und so weinte er vor allem vor Erleichterung.
GUT UND BÖSE
Ein grauer Morgen in den kalten, nassen Gärten, und der Hundsmann stand einfach da und dachte daran, dass die Dinge früher besser gewesen waren. Er stand da, inmitten des Kreises brauner Gräber, und starrte auf die frisch aufgeworfene Erde über Harding Grimm. Seltsam, dass ein Mann, der so wenig gesagt hatte, so eine große Lücke hinterlassen konnte.
Es war eine lange Reise, die der Hundsmann die letzten Jahre zurückgelegt hatte, und eine sehr seltsame. Er hatte im Nichts begonnen und war dahin zurückgekehrt, und er hatte viele Freunde auf dem Weg verloren. Er dachte an all die Männer, die wieder zu Schlamm geworden waren. Harding Grimm. Tul Duru Donnerkopf. Rudd Dreibaum. Forley der Schwächste. Und wieso? Wer hatte jetzt etwas davon gehabt? Diese ganze Verschwendung. Es reichte, damit ein Mann sich elend fühlte, durch und durch. Selbst jemand wie er, der dafür bekannt war, ein ausgeglichenes Gemüt zu haben. Sie alle waren nicht mehr da und hatten Hundsmann allein zurückgelassen. Die Welt war ohne sie enger geworden.
Er hörte Schritte auf dem nassen Gras. Logen kam durch den Nieselregen, und der Atem stand weiß vor seinem vernarbten Gesicht. Hundsmann erinnerte sich daran, wie glücklich er gewesen war, als Logen damals in den Feuerschein trat und noch lebte. Es hatte wie ein neuer Anfang ausgesehen. Ein guter Augenblick, der bessere Zeiten versprach. Aber so war es nicht gekommen. Seltsam, aber jetzt war Hundsmann nicht mehr so glücklich, wenn er Logen Neunfinger nahen sah.
»Der König der Nordmänner«, brummte er. »Der Blutige Neuner. Wie steht’s denn so?«
»Nass, so sieht’s aus. Das Jahr neigt sich dem Ende zu.«
»Ja. Es kommt ein neuer Winter.« Hundsmann pulte an einer hornigen Stelle in seiner Handfläche. »Sie kommen immer schneller und schneller.«
»Ist wohl höchste Zeit, dass ich wieder in den Norden zurückkehre, was? Calder und Scale sind immer noch unterwegs und hecken etwas aus, und die Toten mögen wissen, was für Ärger Dow inzwischen heraufbeschworen hat.«
»Joh, würd ich auch sagen. Höchste Zeit, dass wir abreisen.«
»Ich möchte, dass du hier bleibst.«
Hundsmann sah auf. »Was?«
»Jemand muss mit den Südländern reden und Verhandlungen führen. Wenn’s ums Reden geht, warst du immer der beste, den ich kenne. Abgesehen von Bethod vielleicht, aber ... der kommt ja wohl nicht mehr in Frage, was?«
»Was für Verhandlungen?«
»Vielleicht brauchen wir noch ihre Hilfe. Es wird im Norden jede Menge Leute geben, die nicht besonders zufrieden damit sind, wie sich die Dinge entwickelt haben. Leute, die keinen König wollen, oder jedenfalls diesen nicht. Es wäre eine Hilfe, wenn wir die Union auf unserer Seite hätten. Wäre sicher kein
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