Königsklingen (First Law - Band 3)
Gesicht von Goyle, von Sult, von Severard, aber sie alle verlangten dasselbe. »Den Samen! Ich verliere die Geduld!«
»Bayaz«, flüsterte er, kniff die Augen zusammen, und Tränen quollen unter den Lidern hervor. »Bayaz weiß es ...«
»Klopf, klopf, Foltermeister.« Wieder die zischende Stimme der Frau. Eine Fingerspitze stieß schmerzhaft gegen seinen Kopf. »Wenn der alte Lügner das wüsste, dann wäre er schon mein. Nein. Sie werden ihn finden.« Er konnte vor Angst nicht sprechen. »Sie werden ihn finden, oder ich werde den Preis dafür aus Ihrem zerquälten Fleisch reißen. Also, klopf, klopf, Zeit, um aufzuwachen.«
Der Finger stieß wieder gegen seinen Schädel und grub sich seitlich in seinen Kopf wie eine Dolchklinge. »Klopf, klopf, Krüppel!«, zischte ihm die hässliche Stimme ins Ohr, und ihr Atem war so kalt, dass er auf seiner bloßen Wange brannte. »Klopf, klopf!«
Klopf, klopf.
Einen kurzen Augenblick lang wusste Glokta kaum, wo er war. Er schoss mit einem Ruck in die Höhe, kämpfte mit den Laken, sah sich mit wildem Blick um und fühlte sich auf jeder Seite von drohenden Schatten umfangen. Sein eigener jämmerlicher Atem zischte in seinem Kopf. Dann passte plötzlich alles zueinander.
Meine neue Wohnung.
Eine angenehme Brise bewegte die Vorhänge in der schwülwarmen Nacht und zog durch das eine Fenster, das offen stand. Glokta sah, wie sich der Schatten auf der gegenüberliegenden Wand bewegte. Es fiel gegen den Rahmen und schwang wieder auf, dann schloss es sich wieder.
Klopf, klopf.
Er schloss die Augen und stieß einen langen Seufzer aus. Dann ließ er sich schmerzgeplagt ins Bett zurücksinken, streckte die Beine aus und bewegte seine Zehen dem Krampf entgegen.
Jedenfalls jene Zehen, die mir die Gurkhisen gelassen haben. Es war nur wieder ein Traum. Alles ist ...
Und dann fiel es ihm ein, und er riss die Augen weit auf.
Der König ist tot. Morgen wählen wir einen neuen.
Die dreihundertundzwanzig Blätter hingen leblos von ihren Nägeln. In den vergangenen Wochen waren sie zerknitterter, abgenutzter, fettiger und schmieriger geworden.
Genau wie dieses Geschäft insgesamt immer mehr zu Drecksarbeit geworden ist.
Viele waren tintenverschmiert, mit zornig dahingekritzelten Notizen bedeckt, mit Einfügungen und Ausstreichungen versehen.
Nachdem Männer gekauft und verkauft, bedroht und erpresst, bestochen und verlockt worden waren.
Viele zeigten auch Löcher und Risse, wo Wachs entfernt, hinzugefügt, mit anderer Farbe ersetzt worden war.
je nachdem, wie sich die Bündnisse veränderten, Versprechen gebrochen wurden und das Pendel einmal hierhin und einmal dorthin ausschlug.
Erzlektor Sult stand da und starrte die Zettel an wie ein Schäfer seine ungehorsame Herde. Sein weißer Mantel war zerknittert, das weiße Haar zerrauft. Glokta hatte noch nie zuvor erlebt, dass Sult äußerlich keinen perfekten Anblick bot.
Jetzt schmeckt er offenbar endlich Blut. Sein eigenes. Am liebsten würde ich lachen, wenn mein Mund nicht auch von diesem schrecklich salzigen Geschmack erfüllt wäre.
»Brock hat fünfundsiebzig«, zischte Sult an sich selbst gewandt, während seine weiß behandschuhten Hände hinter seinem Rücken aneinander zupften. »Brock hat fünfundsiebzig. Ischer hat fünfundfünfzig. Skald und Barezin, beide jeder vierzig. Brock hat fünfundsiebzig ...« Immer wieder murmelte er die Zahlen vor sich hin, als seien sie eine Beschwörung, um ihn vor dem Bösen zu bewahren. Oder vielleicht auch vor dem Guten. »Ischer hat fünfundfünfzig ...«
Glokta musste ein Lächeln unterdrücken. Brock, dann Ischer, dann Skald und Barezin, während sich die Inquisition und die Gerichtsbarkeit über Brosamen streiten.
So sehr wir uns auch bemüht haben, liegen die Dinge immer noch ganz ähnlich wie vor dem Beginn dieses hässlichen Tanzes. Wir hätten genauso gut außer Landes fliehen und uns den ganzen Ärger sparen können. Vielleicht ist es dafür noch nicht zu spät ...
Glokta räusperte sich geräuschvoll, und Sults Kopf fuhr herum. »Haben Sie etwas beizutragen?«
»Gewissermaßen, Euer Eminenz.« Glokta sprach in einem so dienstbeflissenen Ton, wie ihm irgend möglich war. »Ich erhielt kürzlich eine ... sehr beunruhigende Information.«
Sult warf ihm einen finsteren Blick zu und nickte mit dem Kopf zu den Papieren hinüber. »Noch beunruhigender als das da?«
Mindestens genauso sehr. Immerhin wird, wer auch immer die Wahl gewinnt, nur für sehr kurze Zeit feiern können,
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