Königsklingen (First Law - Band 3)
als er einen Streifen Fett vom Rand des Fleisches abtrennte.
»Natürlich. Besonders gefährdet sind jene, die im Geschlossenen Rat sitzen, und auch jene, die in ihrem Auftrag handeln. Es ist unwahrscheinlich, dass sie weiterhin derartig freie Hand haben werden, wenn Männer wie Brock oder Ischer auf den Thron gewählt würden.«
Einige von uns könnten wohl sogar erwarten, dass sie in diesem Fall das Ende der Woche nicht mehr erleben würden.
Marovia spießte eine Karottenscheibe mit der Gabel auf und sah sie schlecht gelaunt an. »Eine beklagenswerte Lage. Es wäre für alle Beteiligten besser, wenn Raynault oder Ladisla noch am Leben wären.« Er dachte einen Augenblick darüber nach. »Zumindest, wenn Raynault noch lebte. Aber die Wahl wird morgen stattfinden, ganz gleich, wie viele Haare wir uns deswegen vorher ausreißen. Nun ist es auch schwer geworden, noch einen Weg ausfindig zu machen, der aus dieser verfahrenen Situation herausführt.« Er sah von der Karotte zu Glokta. »Oder hätten Sie einen Vorschlag?«
»Sie, Euer Ehren, kontrollieren zwischen zwanzig und dreißig Stimmen im Offenen Rat.«
Marovia zuckte die Achseln. »Ich habe gewissen Einfluss, das kann ich nicht leugnen.«
»Der Erzlektor verfügt selbst über dreißig Stimmen.« »Wie schön für Seine Eminenz.«
»Nicht unbedingt. Wenn Sie einander bekämpfen, wie Sie es immer getan haben, werden Ihre Stimmen nichts ausrichten. Der eine für Ischer, der andere für Brock, und es macht keinerlei Unterschied.«
Marovia seufzte. »Ein trauriges Ende unserer bisher so großartigen Laufbahnen.«
»Es sei denn, Sie würden Ihre Kräfte bündeln. Dann verfügten Sie gemeinsam über sechzig Stimmen. Fast so viele wie jene, über die Brock gebietet. Das würde reichen, um aus Skald, Barezin, Heugen oder sogar einem völlig Unbekannten einen König zu machen, je nachdem, wie es läuft. Jemand, der in Zukunft wesentlich leichter zu beeinflussen wäre. Jemand, der den Geschlossenen Rat behält, so wie er ist, statt einen neuen zu wählen.«
»Einen König, der uns alle glücklich macht, wie?«
»Wenn Sie einem bestimmten Mann den Vorzug geben, dann könnte ich Seine Eminenz davon unterrichten.«
Noch mehr Treppen, noch mehr Überredungskünste, noch mehr Enttäuschungen. Hätte ich doch nur ein eigenes Dienstzimmer, in dem ich den ganzen Tag gemütlich sitzen könnte, während schleimende Arschlöcher meine Treppenstufen emporschnaufen, um über meine Beleidigungen zu lächeln, meine Lügen aufzusaugen und um meine giftige Unterstützung zu betteln.
»Soll ich Ihnen sagen, was mich glücklich machen würde, Superior Glokta?«
Und nun kommen wir zu den Überlegungen des nächsten machtgierigen alten Sacks.
»Wenn Sie möchten, Euer Gnaden.«
Marovia warf das Besteck auf seinen Teller, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und stieß einen langen, müden Seufzer aus. »Ich hätte am liebsten überhaupt keinen König. Mir wäre es am liebsten, jeder Mann wäre vor dem Gesetz gleich, könnte bei der Verwaltung seines Landes mitbestimmen und seine eigenen Anführer wählen. Ich hätte am liebsten keinen König, keine Edelleute und einen Geschlossenen Rat, der von den Bürgern selbst gewählt würde und ihnen auch verantwortlich wäre. Ein Geschlossener Rat, der allen offen stünde, sozusagen. Was halten Sie davon?«
Ich glaube, einige Leute würden sagen, dass das sehr nach Hochverrat klingt. Alle anderen hielten es vermutlich schlicht für Irrsinn.
»Ich denke, Euer Gnaden, dass Ihre Vorstellung reine Phantasie ist.«
»Wieso das?«
»Weil die große Mehrheit der Menschen lieber gesagt bekommt, was zu tun ist, als eine eigene Entscheidung zu treffen. Gehorsamkeit ist einfach.«
Der Kronrichter lachte. »Vielleicht haben Sie recht. Aber die Dinge werden sich ändern. Dieser Aufstand hat mich davon überzeugt. Die Dinge werden sich ändern, in kleinen Schritten.«
»Ich bin sicher, Lord Brock auf dem Thron wäre ein kleiner Schritt, den keiner von uns gern sehen würde.«
»Lord Brock hat in der Tat sehr genaue Vorstellungen, vor allem, was seine eigene Person betrifft. Sie vertreten Ihre Sache sehr überzeugend, Herr Superior.« Marovia lehnte sich weiter zurück, die Hände über dem Bauch gefaltet, und sah Glokta mit zusammengekniffenen Augen an. »Nun gut. Sie können Erzlektor Sult berichten, dass wir dieses Mal gemeinsame Interessen verfolgen. Wenn sich ein neutraler Kandidat mit genügend Unterstützung präsentiert, dann werde ich meine
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