Köpfe
Das Gesicht war mager, sie blickte aufmerksam, mit hübschen, zweifelnd blickenden braunen Augen.
»Haben Sie mit Ihrem Syndikat gesprochen?« fragte ich aus heiterem Himmel und verblüffte damit sogar mich selbst.
Armand verdankte seine Stellung bei Cailetet zweifellos seinem schnellen Denk- und Einfühlungsvermögen. Ohne im geringsten zu zögern, sagte er: »Wir arbeiten so lange hier, bis wir von irgend jemandem die Anweisung bekommen, diesen Ort zu verlassen. Bisher ist das noch nicht geschehen. Vielleicht gelingt es Ihren Verwaltern, den Sachverhalt im Rat zu klären.«
Ihren Verwaltern. Das wies uns in unsere Schranken. Sesselfurzer, Bürokraten, Politiker. Laß die Politik aus dem Spiel. Wir waren diejenigen, die einem wissenschaftlichen Ziel der unbehinderten Forschung und Denkarbeit im Weg standen.
»Ich sehe im cerebralen Cortex einen Spurenalgorithmus aus vierzehn Penrose-Ziffern«, sagte Irma. »Eindeutig nordeuropäisch.«
Rho sah besorgt aus, sie forschte in meinem Gesicht nach einem Zeichen. Mit einem Ziehen am Ohr und einer Handbewegung in der Luft bedeutete ich ihr, daß wir miteinander reden sollten. Sie zog mich zur Seite. »Bist du müde?« fragte sie.
»Zum Umfallen«, sagte ich. »Ich bin ein Idiot, Rho, und vielleicht habe ich die ganze Sache verdorben.«
»Ich habe Vertrauen zur Familie. Wir werden es schaffen. Ich habe Vertrauen zu dir, Micko«, sagte sie und griff nach meinem Arm. Ich spürte eine unbestimmte Übelkeit, als ich ihren aufrichtigen, vertrauensvollen Gesichtsausdruck sah. »Ich hätte sehr gern, daß du bleibst und dir das ansiehst… das ist wirklich eine tolle Sache… wenn du durchhalten kannst?«
»Ich möchte es mir auf keinen Fall entgehen lassen«, antwortete ich.
»Es hat fast etwas Religiöses, nicht wahr?« flüsterte sie mir ins Ohr.
»Nun gut«, sagte Armand. »Die Lokalisierung ist gelungen. Jetzt wollen wir ein Bild erstellen, es in den Umsetzer eingeben und sehen, ob wir einen Namen aus der Datei entnehmen können.«
Armand stellte die Dreifachzylinder entsprechend ein und brachte seine Tafel mit deren Output in Übereinstimmung, woraufhin er ein Bild von einer undeutlichen grauen Masse bekam, die in einem scharfumrissenen schwarzen Rechteck in einer schmalen Schlinge hing – der Kopf, der innerhalb des größeren Kastens in seiner Zelle und dort in seiner Aufhängung ruhte. »Wir sind genau drauf«, sagte er. »Irma, würdest du bitte…«
»Feldführung an«, sagte sie und legte einen Schalter auf einer winzigen Scheibe um, die mit einem Klebeband auf dem Kasten befestigt war.
»Aufzeichnung läuft«, sagte Armand gleichmütig. Kein Laut war zu hören, es gab keinen sichtbaren oder hörbaren Hinweis darauf, daß irgend etwas geschah. Rechtecke erschienen im oberen rechten Teil der Masse auf Armands Tafel. Ich konnte erkennen, daß der Kopf zu einer Seite gesackt war; ob das Gesicht zu uns zeigte oder nicht, hätte ich nicht zu sagen vermocht. Ich hielt den Blick auf das Bild gerichtet, wo die Rechtecke nacheinander rings um die Hirnschale herum aufblitzten, und ich erkannte mit einem Kitzel des Grauens, daß der Kopf mißgestaltet war, daß er sich im Laufe der Jahrzehnte seiner Aufbewahrung durch die Einwirkung der Erdgravitation deformiert hatte, weil er sich immer tiefer in seine Schlinge geschmiegt hatte, wie eine gefrorene Melone.
»Wir haben es«, sagte Armand. »Noch einen – den dritten Unbekannten –, dann können wir von einer Serie sprechen.«
Um Rhos willen blieb ich und sah auch noch zu, wie der dritte gescannt wurde und seine neuralen Daten und Muster aufgezeichnet wurden. Ich küßte Rho auf die Wange, gratulierte ihr und fuhr mit dem Lift zur Brücke hinauf. Wieder umfluteten mich die Stimmen – leises technisches Geplapper aus der Kammer unter mir und von den Technikern auf der Brücke über mir.
Ich begab mich zu meinem Wassertankraum und brach zusammen.
Seltsamerweise schlief ich gut.
RHO KAM GEGEN ZWÖLF UHR in mein Zimmer und weckte mich auf, acht Stunden nachdem ich auf mein Bett gefallen war. Offensichtlich hatte sie überhaupt nicht geschlafen; ihre Haare waren verfilzt vor lauter daran Herumzupfen und Neufrisieren, ihr Gesicht glänzte vor Übernächtigung.
»Wir haben der Nummer eins der Unbekannten einen Namen gegeben«, sagte sie. »Es ist eine Frau, kein Mann, glauben wir. Allerdings haben wir noch keine Chromosomen-Untersuchung durchgeführt. Irma hat ein paar Minuten kurz vor dem Tod gespeicherter
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