Körper-Haft (German Edition)
mit einem Auto kann ich Dich hier drin nicht umhebeln, aber es gibt ja auch weniger harte Möglichkeiten … ganz weiche, ganz kuschelige Möglichkeiten …«
Er hob sanft den Kopf von Nr. 3 an und zog sachte das darunter liegende Kopfkissen darunter hervor. »Weißt Du, wie es ist, wenn einem plötzlich ganz weiß vor Augen ist? Und das Weiß dann immer schmutziger wird? Bis es schwarz ist? Oh, schau nur, die anderen sind mit Ihrem Puls schon auf und davon galoppiert. Das ist ja wie auf der Pferderennbahn!« Dann schüttelte er das Kissen genüsslich auf und führte es langsam über das Gesicht von Nr. 3 .
Plötzlich imitierte er einen Sportreporter: »Meine Damen und Herrn, sehen Sie sich das an! Nachdem die so verschlafen gestartete Nr. 3 sogar dem hinteren Feld noch hinterher galoppierte, kommt er aus dem sanften Trab plötzlich in den vollen Lauf. Das ist schon kein Galopp mehr, das ist einfach spitze, wie er sich an den anderen Puls-Galoppern vorbeischiebt. Aber wird es ihm gelingen, kurz vor dem Ziel noch Nr. 1 einzuholen?« Mosquito senkte das Kissen über den angstgeweiteten Augen von Nr. 3 . Sein Vitalometer kreischte auf. »Und da meine Damen und Herren, Nr. 3 hat es tatsächlich geschafft! Nach anfänglichem Schlendern noch so ein Rennen hinzulegen … unglaublich!«
Mosquito schaltete den Alarm ab und schob behutsam das Kissen wieder unter den Kopf von Nr. 3, der immer noch stoßweise atmete und mit schreckgeweiteten Augen durch die für ihn geöffneten Pforten des Todes schaute. Mosquito nahm seine kleine runde Nickelbrille ab und wischte sich eine Träne aus dem Auge. Ja, er wischte sich tatsächlich eine Träne aus dem Auge!
Dann tätschelte er die Wange von Nr. 3 und sagte: »Du glaubst doch nicht, dass ich so etwas tun könnte, oder?« Er setzte seine Brille wieder auf und beugte sich über Nr. 3, starrte ihn mit seinen unnatürlich vergrößerten Augen durchdringend an. Der Vitalometer von Nr. 3 schrillte erneut. Vermutlich sah er den Wahnsinn in den Augen von Mosquito flackern.
»Ach komm, das war jetzt aber wirklich zu einfach!«, beschwerte sich Mosquito, während er erneut den Alarm ausschaltete. »Im Ziel einfach noch mal losgaloppieren, das kann ja jeder. Irgendwie bist Du die letzten Minuten ein bisschen zu schreckhaft geworden. Da macht’s langsam echt keinen Spaß mehr!«
Dann machte er sich an Nr. 1 zu schaffen, dessen Puls ebenfalls nach oben schnellte und den Alarm auslöste. Mosquito schaltete ihn sofort wieder ab. »Was ist denn mit Euch plötzlich los? So kann ja kein Mensch arbeiten. Das wird mir langsam echt zu viel mit Euch! Ich schalte jetzt den Alarm fürs ganze Zimmer ab!«
Diese Ankündigung traf mich wie ein Schlag in der Magengegend. Er kann den gesamten Alarm lahmlegen! Was wenn er in seinem Wahnsinn nicht nur den Alarm, sondern ein paar für uns überlebenswichtige Funktionen mit abschaltete? Obwohl ich nicht selbst das Opfer von Mosquito wurde, raste mein Herz und ich fühlte, wie meine Halsschlagadern pochten.
Ich atmete tief ein und wieder aus. Mir fiel John Mc Lay mit seinem Morgengymnastikprogramm wieder ein. »Immer tief in die Dehnung atmen. Den Atem immer dahin lenken, wo es wehtut!«
»So ein Quatsch!«, hatte ich noch vor ein paar Tagen gedacht. Aber jetzt, nachdem ich mich mit der Atem-Meditation beschäftigt hatte, wusste ich endlich, was er meinte. Und ich atmete in meine verkrampfte Magengrube hinein und atmete mit jedem Ausatmen einen Teil meiner Angst wieder aus. Mit der Zeit beruhigte ich mich.
Mosquito schien sich jetzt tatsächlich um die Belange zu kümmern, für die er bezahlt wurde. Er schnitt Haare, Bärte und Nägel, wusch uns und bezog die Betten neu. Als er meinen indischen Nachbarn auf die Seite gedreht hatte, hantierte er wieder hinter seinem Rücken herum. Dann beugte er sich zu seinem Ohr hinunter und fragte: »Willst Du mal sehen, was ich gerade gefunden habe?«
»Oh, nein, bitte nicht schon wieder«, stöhnte ich innerlich auf. Dann schob er seine gummibehandschuhten Hände direkt vor das Gesicht von Nr. 4 und öffnete sie.
»Nichts! Nichts habe ich gefunden!« Er lachte irre. »Du bist ein braver Hund!«
Die Reise nach Jerusalem
Wenn Mosquito immer nur seine Arbeit getan hätte, dann hätte er das sicherlich gut getan. Denn das, was er an pflegerischer Leistung drauf hatte, war wirklich enorm. Leider waren seine Leistungen auf der gegenüberliegenden Seite des Pendelausschlages auch extrem ausgeprägt. Man konnte wirklich mit
Weitere Kostenlose Bücher