Körper-Haft (German Edition)
sein!
Auf diese Art und Weise konnte man auch heute noch Gülle in teuer aussehenden Flakons an gutgläubige Käufer als zum Beispiel Haarwuchsmittel verkaufen. Und je nach eigener Gesinnung konnte man sich auch noch über die Gutgläubigkeit der Kunden freuen und sich einen guten Verkäufer schimpfen. Gülle für Millionen!
Vielleicht sollte man es statt Treuepunkten auch mal mit Treudoofpunkten versuchen. Für jeden leichtgläubigen Kauf gibt’s irgendwelchen unnützen Nippes und im Gegenzug erfährt man neben der Adresse des Kunden noch dessen Bankverbindung und via Geo-Targeting seinen sozialen Status und über seine Versicherungsnummer noch die Blutgruppe. Nur, um ihm beim nächsten Einkauf gar nicht mehr in die Hose schauen zu müssen. Schließlich stand ihm ja schon auf seiner vernagelten virtuellen Stirn, dass er ein leichtgläubiger Idiot ist.
So macht das Verkaufen jedem Unternehmen Spaß! Ich verkaufe Dir irgendeinen Schrott, den Du garantiert nicht brauchst und Du stürzt Dich aus lauter Dankbarkeit ins Tal der Schulden! Das nennt man Nachhaltigkeit!
Während ich also meine eigene Existenzgrundlage infrage stellte und dennoch in Gedanken den Event für meinen Kunden plante, dachte ich kein einziges Mal ans Atmen. Vermutlich war mir dieser Batikhosen tragende Wochenend-Guru mit Holzkettchen um den Hals und Zimt-Latschen an den Füßen einfach zuwider.
Übrigens hatte ich in der Woche darauf, in einem Anflug der Selbstironie, tatsächlich meinem Kunden die Idee eines Planwagen-Events erfolgreich verkauft. Ich der Steigbügelhalter für Quacksalber! Der Kunde war sogar so begeistert, dass er den gesamten Werbeetat unserer Agentur anvertraute!
Völlig angefressen von diesem atemlosen Wochenende beschloss ich, mein Geld anders auf den Kopf zu hauen. Vielleicht fand ich ja einen anderen Planwagen-Quacksalber , dem ich gutgläubig mein Geld zukommen lassen konnte, aber im Gegenzug ein bisschen mehr Spaß haben würde! Dies war mein erster und erfolgloser Versuch gewesen, mich mit Meditation zu entspannen.
Jetzt war alles ganz anders. Vielleicht lag es daran, dass ich jetzt mehr Zeit hatte und mir nicht die Notwendigkeit des Geldverdienens im Nacken saß, dass ich mich so weit auf dieses Atemexperiment einließ. Vielleicht war es auch das Serum von Professor Marquez, das meine Hirnwindungen erweichen ließ. Vielleicht verhielt es sich auch so wie bei Blinden, die ein anderes Sinnesorgan stärker ausprägen und trainieren und plötzlich das Gras wachsen hören können. Aber was auch immer es war, für mich erwies es sich als eine glückliche Fügung … es veränderte mich. Es veränderte mich für immer.
Braver Hund
So atmete ich mich entspannt durch die Woche, unternahm meine Willensanstrengungen meinen rechten Zeigefinger zu bewegen und absolvierte das BSS-Pflichtprogramm schon routinemäßig ohne allzu viele Stromstöße zu kassieren. Und wenn mir irgendetwas widerstrebte, dann flüchtete ich in eines meiner Kehrwasser und ließ alles andere an mir vorbeiplätschern …
Aber jede Woche hat erfahrungsgemäß auch einen Freitag. Und Freitag hieß ausmisten … und ausmisten hieß … Mosquito! Wenn ich Robinson gewesen wäre, dann wäre ich Freitag aus dem Weg gegangen.
Es klopfte zaghaft an der Tür, die kurz darauf geöffnet wurde. Mosquito und Brötchen kamen herein. Zwischen sich ein Servicewägelchen und eine deutlich unterkühlte Stimmung.
Brötchen setzt an: »Ähem, Mosquito möchte Euch etwas sagen …« Er schaute zu Mosquito, der jedoch keine Anstalten machte, den Mund aufzumachen. Das Schweigen hing regelrecht in der Luft. Brötchen trat ihm gegen das Schienbein.
»Autsch, was soll das, Du Schwachkopf!«, blökte Mosquito genervt.
»Los, Du wolltest doch etwas sagen, oder?«
»Aber natürlich! Ich wollte mich nur vorher in die richtige Stimmung bringen, um diesen denkwürdigen Augenblick auch richtig zu würdigen. Noch nie etwas von einer rhetorischen Pause gehört?« Dann schaute er sich einen nach dem anderen mit einem unheimlichen, schiefen Grinsen an.
»Also Leute, ich weiß nicht, ob alle von Euch wach sind. Aber ich möchte mich bei Euch … äh, Daniel hat mir klargemacht, dass dieser kleine, äh Fingerstreich letzte Woche nicht in Ordnung war – sogar ganz und gar nicht in Ordnung war …« Dabei warf er Brötchen einen flüchtigen, aber umso giftigeren Blick zu. »Ich möchte mich bei Euch entschuldigen. Es tut mir … leid!«, quetschte er zwischen den Zähnen
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