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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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Fug und Recht behaupten, dass er im Pflegen mindestens genauso gut war wie im Quälen.
    Ich bin im Laufe der Zeit wirklich nicht schlau aus ihm geworden. Pflegte er, um seine Opfer zu erhalten oder quälte er, um noch fürsorglicher pflegen zu können? War es eine Art Hassliebe oder eine gespaltene Persönlichkeit? So etwas wie Doktor Jekyll und Mister Hyde, nur dass er sich hier als Mosquito und Doktor Mengele ausgab. Wäre ich nicht seinen Quälereien und Launen ausgesetzt gewesen, hätte ich vermutlich gesagt: »Echt `ne arme Sau!«
    So aber musste ich mich in Acht vor ihm nehmen, wenn ich hier irgendwann einmal heil herauskommen wollte. Hätte ich mir nicht meine Rückzugsgebiete geschaffen, dann hätte er mich ohne viel Anstrengung wie einen mürben Glückskeks zerbrochen, mein Inneres herausgezogen, es zerkrümelt und darüber gelacht. Ich fragte mich an diesem Tage ein paar Mal, ob sich die anderen auch eine schützende Nische geschaffen hatten oder ob sie von Grund auf stark genug waren, sich zu widersetzen, um ihr eigenes Ich zu erhalten. Oder war das Ich bei ihnen schon in seinen Grundfesten erschüttert, das Gebäude der eigenen Identität schon zerschossen?
    Man sagt, die Augen seien die Fenster der Seele. Und wenn ich über die Kamera meines Holo-Flat-Pads in die Augen von Nr. 3 und Nr. 1 schaute, dann hingen diese Fenster nur noch in den Angeln. Ich betete nicht, aber ich hoffte inständig für sie – was vermutlich auf das Gleiche hinausläuft – dass sie irgendwo die Kraft finden würden durchzuhalten. Denn dieser Freitag mit Mosquito war noch nicht vorüber.
    Nachdem er uns alle wirklich liebevoll gepflegt hatte, stellte er sich ans Fußende unserer Betten, holte tief Luft und seufzte. »Tja meine Lieben, nachdem ihr jetzt wieder geschniegelt und gebügelt seid, muss ich Euch leider verlassen. Also wegen letzter Woche, ich hatte ja versprochen, dass das nicht wieder vorkommen wird. Und versprochen ist versprochen!
    Aber es gibt ja noch andere Spiele. Erinnert ihr euch noch an eure Zeit im Kindergarten? Wir haben dort gerne Reise nach Jerusalem gespielt. Alle Kinder mussten zur Musik um ein paar Stühle herumlaufen. Sobald die Musik ausgeschaltet wurde, musste sich jeder ganz schnell einen Stuhl suchen und draufsetzen. Nur gab es immer einen Stuhl weniger als Kinder. Das war vielleicht ein Spaß! Aber da ihr nicht herumlaufen könnt und wir keine Musik spielen können, habe ich die Regeln ein wenig geändert. Extra für Euch, meine Süßen! Also zuerst brauchen wir einen Ersatz für die Stühle und das sind Eure Nasen! Dann könnt ihr auch viel besser sehen, wer sich draufsetzt! Und natürlich muss noch ein kleiner Anreiz her, dass sich jemand darauf setzt!« Er holte eine kleine Plastikdose aus seinem Servicewägelchen und öffnete sie. »Keine Angst Ihr Lieben, dass macht euch nur noch süßer!«
    Er blinzelte affektiert hinter seiner Nickelbrille, was durch die Vergrößerung so aussah, als würde ein Goldfisch mit angeklebten Wimpern seinen Augenaufschlag üben.
    »Das ist nur Zuckerwasser mit Honig und ein bisschen Salz abgeschmeckt. Das mögen eure Spielgefährten nämlich besonders gerne.«
    Er ging von Bett zu Bett und tupfte jedem etwas von diesem wässrigen, klebrigen Zeugs auf die Nasenspitze. Es lief mir am Nasenflügel hinunter und weiter bis zu meiner Oberlippe. Süß-salzig, fast wie ein asiatischer Nachtisch. Und auch für Mosquito schien das Folgende eine Art Nachtisch zu sein.
    »Jetzt habt ihr aber süße Näschen! Da werden sich eure neuen Freunde sicher freuen. Vielleicht sind sie am Anfang ja noch ein bisschen scheu … aber mit der Zeit werden sie bestimmt sehr anhänglich sein. Schade, dass ich nicht bleiben kann, bis unsere kleinen Freunde mit ihrem Nachtisch fertig sind. Ach so, ich habe sie ja noch gar nicht vorgestellt.«
    Er holte einen weiteren Becher mit Deckel aus seinem Servicewägelchen. »Ich habe sie vorhin in der Küche extra dazu überredet, euch zu besuchen!«
    Gefängnis … Küche … Zucker, ich zuckte innerlich erschrocken zusammen … Kakerlaken? Mosquito öffnete die Dose und es flogen zwei Fliegen heraus. Vorerst war ich zumindest ein bisschen erleichtert. Er musste die Dose schütteln, damit die anderen beiden sich ebenfalls surrend in die Luft erhoben.
    »Da sind sie, eure neuen Spielkameraden! Sie spielen mit euch Reise nach Jerusalem . Deshalb sind es auch nur vier. Dadurch wird maximal einer von Euch ohne Fliege bleiben. Der eine oder andere hat

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