Körper-Haft (German Edition)
vorzustellen.
Als er zögerte, dachte ich schon: »Scheiße, das klappt nie! Wo habe ich mich da wieder hineingeritten?« Die Pause, die der Leiter zum Nachdenken brauchte, wurde mir so peinlich, dass ich rot wurde.
Dann meinte er: »Also, Deine Idee finde ich klasse, wir können aber keine private Veranstaltung daraus machen.« Ich ließ schon die Schultern hängen, als er hinzufügte: »Aber wenn wir die Veranstaltung öffentlich machen und andere Kinder auch kommen dürfen, dann könnt ihr sogar Eintrittsgelder verlangen, um Eure Unkosten zu decken. Wir sollten es nur auf mittags legen, wenn nicht so viele von den älteren Jugendlichen da sind. Die haben manchmal einen sehr eigenartigen Humor, hängt wohl mit den Hormonen zusammen. Außerdem möchte ich gerne mal vorher sehen, was Dein Freund so drauf hat, damit wir das Programm festlegen können und ich Euch bezüglich der Eintrittsgelder beraten kann.«
Sunny konnte es gar nicht fassen. Er war hin und weg von der Idee und der Chance, vor einem größeren Publikum aufzutreten. Doch nicht nur er war hin und weg, der überaus freundliche Jugendhausleiter, der mit seiner rundlichen Gestalt, seiner Halbglatze und seinem Schnauzbart eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Seehund hatte, klatschte in seine flachen Hände, als er die Kostproben von Sunny gesehen hatte. Zu seinem mechanischen Klatschen hätte nur noch das »Uahh-Uahh-Grunzen” eines Seehundes gefehlt und ein bunter Plastikball, den er auf der Nase jonglierte. Aber er war wirklich ein cooler Typ und sagte uns seine volle Unterstützung zu.
»Also Jungs, so was hab‘ ich echt noch nicht gesehen. Was Ihr da abliefert, ist wirklich allererste Sahne! Normalerweise mach’ ich das ja nicht, aber ich drucke Euch digital einhundert A3-Plakate, die Ihr in der Stadt aufhängen könnt. Sucht Euch die besten Plätze aus, wo Eure Zielgruppe darauf aufmerksam wird. Also überlegt Euch, wo Kids in Eurem Alter hingehen. Schwimmbad, Eisdiele, Kino und irgendwelche Läden, wo ihr oder die Mädelz Klamotten einkaufen.« Er betonte Mädelz mit einem extra zischenden »z« am Ende und zwinkerte uns zu.
An Mädelz hatte ich offen gestanden noch gar nicht gedacht. Aber nachdem Patrick, der Jugendhausleiter, das Thema angeschnitten hatte, schoss mir die Schamesröte bis zu meinem wirren Scheitel, weil ich unvermittelt an Ariane aus meiner Parallelklasse denken musste. Die Hitze stieg mir so in den Kopf, dass ich den Eindruck hatte, jede einzelne Haarwurzel auf meinem Schädel stünde in einer separaten Schweißpfütze.
Sunny schien das gemerkt zu haben, sagte aber erst später als wir das Jugendhaus verlassen hatten: »Na, wie heißt denn Deine Flamme?«
Etwas gereizt und dennoch kleinlaut antwortete ich. »Sie ist nicht meine Flamme!«
»Ok, ok, sie ist nicht Deine Flamme, aber wie’s aussieht bist Du ganz schön verknallt!«
Ich hatte mir das bis dato weder genauer überlegt noch irgendwie eingestanden. Aber Sunny brachte es wirklich auf den Punkt. Ich war bis über beide Ohren verknallt in Ariane. Nur konnte sie das nicht wissen, denn ich himmelte sie ja nur von Weitem an. Und dass Ariane meine kindlich hormonelle Schmachtaura per Ferndiagnose richtig deutete, war mehr als unwahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher war leider, dass ich den Mut finden würde, sie anzusprechen. Sie war der Schwarm aller Viertklässler und ich wunderte mich schon ein halbes Jahr lang, warum ich jeden Abend beim Einschlafen an sie denken musste. Sunny riss mich aus meinen Gedanken.
»So schlimm? Hattest Du bisher noch keine Freundin?«
Zu jedem meiner anderen Freunde hätte ich gesagt: »Klar hatte ich schon ’ne Freundin!«, und hätte dabei fieberhaft nachgedacht, mit welchem Mädchen ich im Sandkasten gespielt hatte. Aber bei Sunny war es anders. Er war einfach entwaffnend ehrlich. Und zum anderen hätte er mich eh durchschaut. Also antwortete ich: »Äh, nöh, hattest Du schon eine?« Sunny grinste wissend in sich hinein und ging erst gar nicht auf meine Frage ein.
»Also pass auf, das Ganze ist halb so wild, schließlich ist Dein Gegenüber ja genauso neugierig und unbeholfen wie Du! Wenn Du die Initiative ergreifst, ihr aber die Chance gibst, den nächsten Schritt zu tun, dann hast Du die besten Chancen, dass sie auf Dein Angebot eingeht!«
»Hä? Was für ein Angebot?«
»Treff Dich mit ihr im Schwimmbad, lad’ sie zum Eis ein oder lass’ Dir sonst was einfallen! Und die Krönung des Ganzen: Lad’ sie ins Kino ein! Ich
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