Körper-Haft (German Edition)
Trenchcoats.
»Chrrr…füh…chrrr…füh…« Er grinste mich wie der Joker aus Batman an. Dann riss er den Mantel wie ein Exhibitionist ruckartig auf. Am Innenfutter des Trenchcoats baumelten sowohl auf der rechten als auch der linken Seite seiner Mantelflügel in übereinander liegenden Doppelreihen kleine, bunte Kinderwagenschirme …
»Chrrr…füh…chrrr…füh…mnahh! Ahhh!«
Mein Herz raste. »Scheiße«, dachte ich, »wir haben gar keine Vorhänge in der Agentur!«
Was, verdammt noch mal, war hier los?
»Ganz einfach, du großer Meditierer – du bist eingeschlafen!«
Ich hatte das ganze Zeugs nur geträumt! Hätte nur noch gefehlt, dass mein persönlicher Gott in Latzhosen und Strohhut auf einem Einrad durch die Agentur radelt! Verdammt!
Ich ärgerte mich über meine eigene Naivität: »Jetzt bin ich auch noch mein eigener Badelatschen-Guru geworden! Verdammte Meditationsscheiße! Großartig, ich bin ein Zauberer! Ich kann mir eine Riesenpackung Bullshit in die eigene Tasche lügen! Ohne es selbst zu merken! Ich bin der David Copperfield der Selbstillusion!«
Ich ärgerte mich noch eine Weile und überlegte, welche Beleidigungen ich mir noch an den Kopf werfen könnte. Mit der Zeit aber beruhigte ich mich wieder und dachte über meinen Traum nach. Mit der Zeit kamen mir Zweifel, ob ich am Anfang nicht tatsächlich meditiert hatte, als der Raum noch regungslos war und die eigenartigen Geräusche, die ich inzwischen als mein eigenes Schnarchen erkannt hatte, noch nicht da waren.
Was hatte ich bis dahin gesehen? Sunny und mich, die angeschalteten Kameras, die eingelegten Flash-Speicher und die Uhrzeit. 19:45. Das konnte schon hinkommen. Aber war es nur mein Unterbewusstsein, das mir einen Streich gespielt hatte, oder war ich tatsächlich dort gewesen? Alles Weitere war natürlich Blödsinn. Die schwarzen Schuhe, die in einer Pfütze standen, der leicht wogende Vorhang und der dramaturgisch gut platzierte Blitz waren sicherlich Reminiszenzen an die Edgar-Wallace-Verfilmungen aus den sechziger Jahren, die ich mit Sunny angesehen hatte.
War der zweite Teil meines Traumes nicht sogar komplett in Schwarz-Weiß abgelaufen? Was aber wollte mir der Traum sagen? Ich hatte im Laufe meines Lebens gelernt, auf Träume zu achten. Und hatte auch immer versucht, sie zu interpretieren.
Die Gestalt im Trenchcoat stand für den schwarzen Mann. Und der Clown? Hm, es gab gute und böse Clowns. Und unter seinem Mantel zeigt er wie ein Dealer seine Ware – Kinderwagenschirmchen! Sogar sehr viele Kinderwagenschirmchen! Aber warum ausgerechnet Mike? Weil … wie die Hitzeblase eines Unterwasservulkans schoss die Erkenntnis in mir hoch … weil er ein Motiv hatte. Weil er genau genommen sogar zwei Motive hatte. Sunny und mich auf einen Schlag aus dem Weg zu räumen! Sunnys Tod sicherte ihm den ersten Anteil der Agentur, mein Ausscheiden bescherte ihm den zweiten. Die Agentur war in Schwierigkeiten, also entsprachen die an Erben und Bezugsberechtigte auszuzahlenden Anteile keinen großen Summen.
Als angenehmer Nebeneffekt kam die Agentur so in die Schlagzeilen, dass man sie bundesweit kennt. Nach einer gewissen Karenzzeit, beziehungsweise Zeit moralischer Scham, kamen die Kunden wieder.
Damit ich auf gar keinen Fall aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden kann, wurde Natalie als Augenzeugin ins Rennen geschickt und alles war paletti!. Für Mi- ke jedenfalls
Angewidert dachte ich an sein anzügliches Augenzwinkern. Mi- ke , verdammt noch mal, war es das, was Sunny mir noch mit seinem theatralischen Zwinkern hatte sagen wollen?
»Hallo ich bin Mi- ke , eigentlich Mi-cha-el, aber beim ke kann ich den Mädels zuzwinkern. Das kommt tierisch gut an.«
So oder ähnlich hatte sich Mike vorgestellt. Und das Keuchen von Sunny hatte sich tatsächlich so angehört. » Ke … keh… « Verbunden mit einem stimmlosen »m« konnte man sich das gut vorstellen. Mi- ke … mi- keh !
Mich fröstelte bei dem Gedanken. Konnte es tatsächlich so gewesen sein? Sunny hatte tatsächlich einen ganzen Schwung an Kinderschirmchen eingekauft, um zu proben. An der Menge der verfügbaren Schirmchen lag es bestimmt nicht, einen davon abzuzweigen und zu manipulieren. Und der Nagellack von Natalie war für ihn sicher leichter zu beschaffen als ein Autogramm vom Papst … Aber wie hätte er mich dazu bringen können, diesen verdammten Schirm, der in Sunnys Hals steckte, anzufassen? Und selbst wenn ich das nicht getan hätte? Wäre Natalie nicht
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