Körper-Haft (German Edition)
ohnehin zu einer Falschaussage bereit gewesen – und dazu, etwas Nagellack zu opfern?
Ich war völlig verwirrt. Meine Gedanken kreiselten ohne erkennbare Umlaufbahn in meinem Kopf herum. »Rache!«, war einer der ersten kreiselnden Satelliten im Orbit meines Denkens.
Konnte all dies wirklich wahr sein? Waren das die Tatsachen? Oder hatte ich mir diesen Ablauf nur zurechtgelegt, um einen Schuldigen für Sunnys Tod und meine Situation zu finden? Oder war es meine Aversion gegen Mike, die mich diesen schrecklichen Verdacht auf ihn projizieren ließ? Ich dachte wieder an den Abend, an dem ich Mike kennengelernt hatte und es schüttelte mich innerlich.
Der erste Eindruck
»Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck, den man hinterlässt!« Auch das war eine der Regeln, die wir in unserer Agentur zu Leitsprüchen gemacht hatten. Wenn der erste Eindruck nicht stimmte, blieb zumindest immer der Hauch eines schlechten Beigeschmackes. Sowohl im Positiven als auch im Negativen prägte sich der erste Eindruck so ein, dass er nicht mehr reversibel war, also untrennbar mit der Person oder dem Produkt verbunden blieb.
Die erste Begegnung mit Mike hatte sich irreversibel eingeprägt! Und zwar alles andere als positiv! Ich hielt mich selbst für einen toleranten und offenen Menschen. Aber Mike hatte ich so tief in eine Schublade gestopft, dass ich ihn dort sicherlich nie wieder herauslassen würde. Im Gegenteil, ich sammelte geradezu seine widerwärtigen Eigenheiten. Und jeden dieser Charakterzüge nutzte ich als Spax, um die Schublade, in die ich Mike gesteckt hatte, auf Ewigkeiten zu verschrauben und zu versiegeln. Ich hatte ihm nie eine zweite Chance gegeben. Vielleicht war es ungerecht, das war es sogar mit Sicherheit.
Aber fühlt sich nicht jeder ein bisschen besser, wenn er ein Feindbild hat, mit dem er sich vergleichen kann? Da fühlt man sich doch gleich ein bisschen besser! … und man wird zum Hüter der eigenen Moral! Die ja ohnehin die beste der Welt ist! Schließlich ist sie selbst gemacht und maßgeschneidert … atmungsaktiv und passt sich, wie eine Stretchhose, selbst der skurrilsten Form an …
Kuppler
Die zweite Chance, die ich Mike verwehrt hatte, wurde mir jedoch gewährt. Nicht von Mike, sondern von Tanja. Ich wusste ja nicht einmal, ob Mike überhaupt einen Eindruck von mir gewonnen hatte. Und wenn ja, dann vermutlich den eines bornierten Langweilers, der sich in den Job frisst und sich das Thema Bestäubungsfragen nicht als Lebensziel Nummer eins auf die Agenda gesetzt hat. Also in seinen Augen ein Weichei, das keine Ahnung vom Leben hat, das man aber prima nutzen kann, um den eigenen Lebensstil zu finanzieren …
Dennoch war es vermutlich gerade der Bestäubungsritus, der Tanja und mich zusammengebracht hatte …
… oder vielleicht war es auch ein guter, alter, gemeinsamer Freund, der zwei Seelenverwandte zusammenbringen wollte. Jedenfalls bekam ich eines Tages einen Anruf von Dominic, einem alten Studienkollegen von Sunny und mir. Er hatte eine steile Karriere in einer Kosmetikfirma hingelegt und war seit ein oder zwei Jahren mit der Leitung des Marketings betraut.
»Hallo Frank, mein alter Freund, wie geht es Dir?«
»Prima, danke der Nachfrage, wie geht es Dir? Schön Dich zu hören, Dominic. Vor allem nachdem Du so dermaßen in Deinen Job eingespannt bist, dass ich fast nicht glauben kann, dass Du mich tatsächlich privat anrufst, um mich nach meinem seelischen Aggregatzustand zu fragen.«
»Haha, Du triffst wie immer den Nagel auf den Kopf und kommst ohne Umschweife auf den Punkt. Um Deine Direktheit zu belohnen, sage ich Dir auch gleich, worum es geht. Wir wollen eine neue Kosmetik-Linie einführen. Dazu möchte ich einen Einführungsevent für unsere Partner, zum anderen einen Trailer fürs Internet. Darüber hinaus wollen wir aber auch die Kanäle der klassischen Werbung bedienen. Glaubst Du, ihr kriegt das hin?«
»Du weißt, dass wir nicht die klassische Full-Service-Agentur sind, die im Bereich Media und klassische Werbung breit aufgestellt ist?«, fragte ich.
»Mann Frank, jetzt stell’ euer Licht doch nicht so unter den Scheffel. Ich weiß, ihr seid sogar in Feldern verdammt gut, an die ihr noch gar nicht gedacht habt.«
»Jetzt schmierst Du mir aber zentimeterdick den Honig um den Bart!«
»Klar«, erwiderte Dominic, »mit Brotaufstrichen kenne ich mich aus! Also wie sieht’s bei Euch aus, wollt ihr mitspielen oder muss ich Dir noch weiter den Bauch
Weitere Kostenlose Bücher