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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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esoterischen Quacksalber, die gemerkt hatten, dass ein paar indische Ledersandalen, eine schlabberige Hose, ein verwaschenes Batik-Shirt und ein verklärter Blick gepaart mit ein paar Räucherstäbchen für eine Firmengründung ausreichten, waren mir schlichtweg zuwider.
    Ich weiß nicht, wieso ich solchen Menschen in meiner Vergangenheit immer wieder begegnet war. Vielleicht hatte mich das eigentliche Thema, die Sinnsuche des Lebens, immer wieder auf die Pfade solcher Scharlatane geführt. Oft waren es Typen, die sich selbst mit weit mehr als nur Räucherstäbchen olfaktorisch beglückten. Ich fragte mich, ob diese bewusstseinserweiternden Prozeduren unmittelbar zu den Augenringen führten, oder der Kajal-Strich um die Augen schlichtweg zum Geschäftsmodell gehörte.
    Ich dachte an einen dieser Badematten-Yogis, der mit einer selbst gedrehten Opfergabe im Mund vor mir gestanden hatte, tief inhalierte und mindestens genauso tief ergriffen murmelte: »Wir spüren den Raum um uns und spüren, wie wir immer leichter und leichter werden.«
    »Vor allem mein Geldbeutel fühlt sich schon viel luftiger an«, hatte ich damals gedacht.
    Ich hatte wirklich keine Ahnung, ob einer von diesen Großstadt-Yogis jemals wirklich meditiert hatte oder sie nur jemanden gesucht hatten, der ihnen beim Rauchen ihrer afghanischen Kräutermischung zusah. Und diese auch noch mit dem Zuschauen finanzierte.
    Ich jedenfalls hatte mich in der Bauchatmung tief entspannt und konzentrierte mich auf den Raum, in dem Sunny starb. Die Kunst der Meditation lag darin, sich völlig zu entspannen und sich selbst in eine Wachphase zu bringen, die der Schlafphase sehr nahe war. Der Atem ging hierbei leicht und regelmäßig.
    Es dauerte nicht lange und ich fand mich im Konferenzraum unserer Agentur wieder. Ich sah mich selbst, wie ich neben Sunny stand, der bereits in die Knie gegangen war und mit überstrecktem Nacken nach oben an die Decke sah. Ein umgefallener Stuhl lag neben Sunny. Der Schirm steckte tief in seinem Hals.
    Es war, als hätte Madame Tussaud die furchtbare Szene in ihrem Wachsfigurenkabinett nachgebildet. Ich konnte mich darin bewegen und sogar um Sunny und mich herumlaufen. Und ich konnte Positionen einnehmen, die mir in der echten Szenerie schlichtweg unmöglich gewesen waren.
    So konnte ich zum Beispiel auf uns beide herabblicken, unter den großen schweren Besprechungstisch schauen oder exakt den Blickwinkel der einzelnen Kameras einnehmen, deren rote Aufnahmeleuchten einen kleinen roten, leicht nebeligen Lichtkegel bildeten. Alles war so detailreich und exakt, wie es nur im richtigen Leben sein konnte. Mit einer einzigen Ausnahme: Es bewegte sich außer mir absolut nichts! Es umgab mich eine Ruhe, als würde ich unter einer großen Glasglocke stehen. Sunny hatte eines seiner Augen zugekniffen und mein Abbild sah ihn erschrocken und fragend an. Das musste der Moment sein, in dem mir Sunny zugeblinzelt hatte und keuchte: »Ke! … Keh!«
    Ich ging zu den Kameras. In allen war der Flashspeicher eingelegt. Auf den Displays sah ich das eingefangene Bild, den Akkustatus und die Uhrzeit eingeblendet: 19:45 Uhr. Ich schaute durch die bodenlangen Vorhänge hinaus zu den Fenstern, wo der Regen, in der Bewegung erstarrt, wie festgefroren an den Fenstern klebte.
    Aber die absolute Ruhe in dem Raum wurde durch irgendetwas gestört. Wie aus weiter Ferne kam das Geräusch gleichmäßig und rhythmisch. Ich versuchte zu orten, wo es herkam.
    »Chrrr…füh…chrrr…füh…« Mit den Augen suchte ich den Raum ab und entdeckte neben einem der Fenster hinter einem der bodenlangen Vorhangschals ein paar schwarze Schuhspitzen, die in einer größer werden Regenpfütze standen. Ein Blitz in unmittelbarer Nähe des Hauses belichtete die Szenerie mit harten Schlagschatten. Der Donner folgte unmittelbar mit einem Grollen.
    »Chrrumm…mjam–mjam.« Mein Atem stockte vor Schreck und ich lauschte. Was war das? Es war mucksmäuschenstill. Dann begann das rhythmische Geräusch wieder: »Chrrr…füh…chrrr…füh…«
    Der lange Vorhangschal wogte leicht hin und her an der Stelle, an der die regennassen Schuhe standen. Ich hielt die Spannung nicht mehr aus. Ich riss den Vorhang ruckartig beiseite und sah in die Augen von Mike. Er hatte eine knallrote, kugelrunde Clownsnase aufgesetzt. Auf seinem Kopf trug er einen dieser klassischen und klatschnassen »Magenbrothüte« aus den Sechzigern. Seine Hände strafften das nasse Revers seines

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