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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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Gegenwart immer mehr zurückzogen und irgendwann beschlossen, ganz in der vertrauten Vergangenheit zu leben. Früher war eben doch alles besser!
    »Jaja«, dachte ich, »jetzt greine ich mit meinen Mitte dreißig schon herum wie ein alter Greis. Du sentimentaler Jammerlappen!«
    Aber bis zum Tod von Sunny hatte ich eigentlich wirklich ein verdammt gutes Leben gehabt. Ich war in der Welt herumgereist, wie ich es mir in meinen kühnsten Kinderträumen nicht erhofft hatte. Ich hatte tolle Freunde und nahezu jeglichen Komfort, den man im Westen zu brauchen glaubte. Und das Beste an allem war: Ich hatte eine Frau an meiner Seite, mit der ich sogar synchron antworten konnte, und die sich nicht, wie viele ihrer Geschlechtsgenossinnen, mit ihrer Handtasche unterhielt. »Gucci-Gucci-Gucci-Gucci!« Ich hatte bis zum Tod von Sunny wirklich ein sehr schönes Leben gehabt. Es war mir bis dato nur nicht klar gewesen.
    Meine Zimmerkollegen hatten bereits mehrfach Besuch bekommen, meist in Gruppen. Die Besucher hatten dann andächtig um das Bett herum standen, Geschichten aus ihren Familien erzählt und dass der Mann in ihrer Mitte beim Arbeiten fehlte.
    Das war immer das Intro, das ich mitbekam, bis man meine Zellengenossen hinausschob, damit sie sich im Besucherzimmer unterhalten konnten. Zumindest konnten die Besucher auf meine Zellengenossen einreden, die ihnen stumm zuhören mussten, ohne auch nur die geringste Chance, einen Widerspruch zu äußern oder selbst etwas zu erzählen.
    Nur mich wollte niemand besuchen. Inzwischen war ich mir über eines sicher. Wäre ich tot, würde zumindest ab und an jemand sonntags mit der Gießkanne vorbeigekommen. Den meisten Menschen fällt es, glaube ich, leichter, mit einem Grabstein zu reden, als mit dem Menschen, der zu Lebzeiten noch Antworten geben kann. Einen Grabstein kann man auch anschreien, vorausgesetzt es sind nicht allzu viele andere Friedhofsbesucher in der Nähe. »Warum hast Du mir das angetan? Du Schwein!« Alle Vorwürfe prallen an einem Grabstein mühelos ab. Wahrscheinlich greift man deshalb so gerne auf Granit und Marmor zurück.
    Der Verstorbene nimmt egoistischerweise einfach alles mit, was er weiß. Bis hin zu Küchenrezepten. Unglaublich! Auch die ganze Trauer schluckt ein frisch aufgeschüttetes Grab mühelos hinunter.
    Wenn jemand jedoch im Bett im Sterben oder im Koma liegt, wird alles plötzlich viel schwieriger. Alles, was man sagt, könnte bei einer überraschenden Genesung plötzlich gegen einen verwendet werden …
    Hinzu kommt auch immer der Faktor, dass man ja am Krankenbett noch nächste Woche vorbeikommen kann. Das geht solange, bis es keine nächste Woche mehr gibt und man im leeren Zimmer mit gesenktem Haupt sagt: »Tut mir leid, alter Freund, nächste Woche wäre ich bestimmt gekommen.« Und dann den stillen Vorwurf hinterher schiebt: »Solange hättest Du auch noch warten können!«
    Sei’s drum, es hatte mich bisher noch niemand besucht und ich lag allein in meinem Bett und träumte von besseren Zeiten und Tanja.

Ich und ich
    Ich hatte überhaupt keine Lust mehr dazu, meine Meditationsübungen zu machen, oder irgendwelchen anderen esoterischen Kram auszuprobieren. Diese Episode, in der ich schwarze Schuhe hinter Vorhängen gesehen hatte, die es gar nicht gab, hatte mich auf den Boden der Tatsachen geholt. »Meditation, der esoterische Selbstbetrug für Fortgeschrittene!«
    Ich war frustriert und zappte mich durch die Nachrichten. Komisch, seitdem ich hier in diesem Gefängnis lag, war ich noch kein einziges Mal über eine Nachricht gestolpert, die über das BSS-Programm berichtet hatte. Entweder, es war purer Zufall, dass ich immer zur falschen Zeit eingeschaltet hatte, oder es kam tatsächlich nichts. Sowohl die Todesfälle von Nr. 6 und Nr. 7 als auch die Katatonie von Nr. 3 wären ein gefundenes Fressen gewesen. Aber wahrscheinlich hatte ich es einfach verpasst, während ich mit diesem blödsinnigen Yoga-Sender herumgealbert hatte.
    Ich beschloss in Zukunft wieder, wie früher, mehr Nachrichten zu sehen und mich stärker mit der Außenwelt abzugeben.
    Wenn ich nach zehn Jahren endlich hier herauskam, wollte ich ja nicht wie Dornröschen aus der Kühltruhe steigen und sagen: »Ach Du liebe Zeit, ist denn niemand von meinen Freunden übrig oder etwas von den Dingen, die ich kenne …«
    Mein Rücken hatte sich völlig verkrampft, wenn das mit deaktivierten Muskeln überhaupt möglich war. Jedenfalls tat er mir höllisch weh und ich dachte daran,

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