Koerper, Seele, Mensch
und erwünschte
Wirkung aus, sondern es kommt sogar zum Gegenteil dessen, was die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse eigentlich zwingend als Wirkung vorausgesagt
hätten. Wenn man nun diese Überlegungen nicht nur auf die Wirkung der chemischen Stoffe (Medikamente) konzentriert, sondern alle möglichen Eingriffe,
Operationen und andere medizinische Verrichtungen mit einbezieht, stellt sich bald die Frage: Was ist eigentlich die Ursache dafür, daß eine therapeutische
Maßnahme etwas bewirkt?
Wäre der menschliche Körper die triviale Maschine, die Gegenstand der Schulmedizin ist, würde sich diese Frage gar nicht ergeben: Die Wirkung von Medikamenten wäre fehlerfrei voraussehbar und chemisch bzw. physikalisch eindeutig zu erklären. Statt dessen gibt es nun aber vier Möglichkeiten. Erstens: Ein wirksamer Stoff (Medikament) wird verabreicht, die erwartete Wirkung tritt ein. Zweitens: Ein wirksamer Stoff (Medikament) wird verabreicht, die erwartete Wirkung tritt nicht ein, sondern unerwarteterweise das Gegenteil. Drittens: Ein unwirksamer Stoff (Scheinmedikament) wird verabreicht, es tritt eine Wirkung wie bei einem ›echten‹ Medikament ein. Viertens: Ein unwirksamer Stoff (Scheinmedikament) wird verabreicht, es tritt keine Wirkung ein, genau wie Chemie und Physik das erwarten lassen.
Möglichkeit 1: echter Wirkstoff, echte Wirkung
Es gibt Stoffe, die die Darmtätigkeit beeinflussen, sie wirken im sogenannten vegetativen Nervensystem. Ein besonders anregendes Medikament heißt Prostigmin. Wenn man dieses Medikament gibt, beginnt der Darm heftig zu arbeiten, von einer bestimmten Dosis an folgen Krämpfe und Durchfall. So steht es im Lehrbuch geschrieben. Das ist das typische Beispiel für den Normalfall, den wir alle verstehen: Es wird etwas verabreicht, und die erwartete Wirkung tritt ein.
Ein anderes Beispiel sind Stoffe, die den Kreislauf, die Herzfrequenz und den Blutdruck beeinflussen, also ebenfalls das vegetative Nervensystem. Zu ihnen gehört das Adrenalin; wird es gegeben, steigt die Herzfrequenz, aber auch der Blutdruck, ganz nach Lehrbuch.
Möglichkeit 2: echter Wirkstoff, keine oder unerwartete, gegenteilige Wirkung
Nehmen wir das Beispiel des oben erwähnten ›Darmantreibers‹ Prostigmin. Schon 1947 berichteten die amerikanischen Wissenschaftler Wolf und Wolff von ihrem Laborgehilfen Tom. Dieser hatte sich als Neunjähriger seine Speiseröhre mit heißer Suppe so schwer verbrannt, daß sie völlig vernarbte und er nichts mehr schlucken konnte. Es mußte also ein künstlicher Mageneingang, eine sogenannte Fistel, geschaffen werden; bei einer solchen Operation wird die Magenwand von innen an die Bauchwand herangezogen, mit dieser direkt vernäht und anschließend eröffnet. Jetzt kann man die Nahrung mit Hilfe eines Katheters direkt in den Magen einfüllen.
In die Fistel von Toms Bauchwand wuchs von innen her Magenschleimhaut ein, so daß eine Öffnung von 3 cm Durchmesser entstand, durch welche die
Magenschleimhaut sichtbar war. Als Wolf und Wolff auf dieses Stück der Magenschleimhaut Prostigmin tropfen ließen, reagierte Tom erwartungsgemäß mit
Krämpfen und Durchfall. In einem zweiten Versuch ließen sie aber ein Placebo auf die Magenschleimhaut tropfen, und siehe da, das Placebo löste die gleichen
Symptome aus. In einem nächsten Schritt wurde Atropin benutzt, das normalerweise zu einer Lähmung des Magens führt, also ein ›Darmbremser‹ mit der
gegenteiligen Wirkung von Prostigmin ist. Trotzdem kam es bei Tom erneut zu Krämpfen und Durchfall. Eine geheimnisvolle ›interpretierende Instanz‹ hatte
Toms Erfahrungen mit Prostigmin zuerst auf das Placebo übertragen und dann sogar dem Atropin eine Bedeutung erteilt, die dem chemischen Effekt dieser
Substanz völlig entgegengesetzt war.
Ebenfalls unter Punkt 1 bereits erwähnt wurde das den Blutdruck erhöhende Mittel Adrenalin. In einer Versuchsanordnung erhielt ein Hund ein blutdrucksenkendes Mittel. Dabei ertönte immer ein lautes Signal, so daß für den Hund Spritze und Signalton zusammengehörten. Nachdem man das einige Male gemacht hatte, gab man dem Hund mit der Spritze aber kein blutdrucksenkendes Mittel mehr, sondern Adrenalin; der Signalton blieb der gleiche. Obwohl Adrenalin den Blutdruck ganz unmittelbar enorm erhöhen kann, kam es jedoch nun statt des zu erwartenden Blutdruckanstiegs zu einem Blutdruckabfall! Der Hund hatte also auf irgendeine geheimnisvolle Weise gelernt, daß nicht nur Spritze und
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