Koestlbachers erster Fall
die Welt weiß, dass der
Chef sterilisiert ist und keiner Frau mehr gefährlich werden kann! Sagen Sie
bloß, Sie hätten noch nichts davon gehört!«
»Im Radio kam’s jedenfalls
nicht!«, verteidigte sich der Liebknecht etwas verstimmt, weil er
vermutlich wirklich wieder mal revierinternen Ratsch verschlafen hatte.
»Und seine Anna? Was sagt die
dazu?«, fragte er die Klein.
»Mit ihren zwei Kindern hat sie
ihr biologisches Vermehrungsziel schon erreicht. Die Frau vom Chef
sieht nicht so aus, als würde es ihr was ausmachen, dass ihr Mann...! Na Sie
wissen schon!«, sagte die Klein.
»Und Sie meinen wirklich, dass der
Chef jetzt nicht mehr kann?«, fragte der Liebknecht, den die Sache plötzlich
mehr interessierte, als er es zeigen wollte. Vor drei Tagen hatte er nämlich
einen Disput mit seiner aktuellen Freundin gehabt, die meinte, sie würde keine
Kinder haben wollen und ihn nur heiraten, wenn er sich sterilisieren ließe.
»Schmarrn! Natürlich kann er noch!
Aber Jäger sind keine mehr drin! Also aus mit Kindersegen!«, erklärte die Klein
mit wichtiger Miene.
»Dann verstehe ich aber nicht,
warum Sie so ungläubig reagiert haben, als ich sagte, dass der Chef auf Sie
steht!«, meinte der Kommissar Liebknecht.
»Weil er es eben nicht tut! Er
steht nicht auf mich! Er steht überhaupt auf keine Frau!«
»Was soll das nun wieder heißen?
Ist der Chef etwa nun auch noch schwul!«, entrüstete sich der Liebknecht.
»Wer redet von schwul? Nein, dass
er schwul ist, glaube ich nicht. Aber seit seiner OP sind Frauen für ihn
einfach nur mehr Mitmenschen, die man mal mehr, mal weniger mag. Mit Sex hat
das Ganze auf alle Fälle nichts mehr zu tun«, sagte die Klein und zupfte dabei
an ihrem Rock, als wollte sie damit das mit dem Sex unterstreichen, indem sie
versuchte, ihre schönen schlanken Beine zu verdecken. Natürlich nur
vordergründig! Weil verdecken wollen ja auch immer indirekter Hinweis auf das,
was verdeckt werden soll.
»Aber Sie haben doch soeben
gesagt, dass so eine Sterilisation nichts mit ›Impotenz‹ zu tun hat!«,
meinte der Liebknecht, sichtlich verwirrt oder zumindest von der Logik
überfordert.
»Hat es auch nicht, zumindest
nicht wirklich. Aber psychisch, wenn Sie wissen was ich meine. Er fühlt
sich nicht mehr als Mann! So etwas soll es geben!«, erklärte die Klein.
»Da frag’ ich mich doch, woher Sie
das alles wissen?«, gab der Liebknecht zu bedenken.
Es war klar, dass der Liebknecht
das fragen würde. Aber jetzt, wo er es tatsächlich tat, da überflog eine Röte
das Gesicht der Klein, was der Liebknecht aber nicht merkte, weil sie sich
schnell zur Kaffeemaschine umgedreht hatte und den Eindruck zu erwecken
versuchte, da was aus- oder einschalten zu müssen.
»Ich hab’s von einer Bekannten,
die mit seiner Frau befreundet ist. Sie werden’s doch für sich behalten,
oder?«, bat die Klein den Liebknecht.
»Wem sollt’ ich’s erzählen?«,
fragte der Kommissar. »Muss ja nicht jeder wissen!«
Du kannst dir denken, dass es
wirklich niemand erfahren musste, weil wer es noch nicht wusste, der hat es
auch ohne einen Liebknecht erfahren, der es ohnehin lieber vorzog, privates
Wissen für sich zu behalten.
Gespürt hat der Köstlbacher die
Blicke schon, die immer wieder gebannt auf ihm ruhten, wenn er vor seiner Pinnwand
ein Briefing abhielt, aber er hat diese Blicke als respektvolle Blicke
gedeutet, als Blicke, die ihm bezeugen sollten, wie man es ihm hoch anrechnete,
dass er die Fäden wie ein perfekter Marionettenspieler in der Hand hielt.
Gut hat er sich in solchen Augenblicken gefühlt, sehr gut. Es war wirklich eine
gute Entscheidung gewesen, mit seiner Anna nach Regensburg zu ziehen.
In Straubing gab es einfach zu viele Münder, die seinem bislang makellosen
Ruf durch den Dreck zu ziehen versuchten. Nicht, dass er sich was zu Schulden
hatte kommen lassen. Aber was bitte gingen seine privaten Probleme wildfremde
Leute an? Er hatte sich sterilisieren lassen. Na und? Der Arzt hatte
gesagt, dass es bei ihm nur ein Minimaleingriff sein würde. Bei Anna wäre die
OP aufwändiger und folgenreicher. Sie würde eventuell ihre Libido
verlieren. Das war für den Köstlbacher dann auch ausschlaggebend gewesen,
der Sterilisation bei ihm zuzustimmen.
Und jetzt hatte er seine Libido
verloren.
»Selten, aber passiert leider ab
und zu!«, meinte der Urologe bei einer späteren Nachuntersuchung.
Aber seine Pinnwand, die hatte er
noch! Und dass die Klein ihm mit der Arbeit an der
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