Kohärenz 01 - Black*Out
minimale Wache niemand. Worum es ging, hatte sich längst herumgesprochen, und so lauschten über zwanzig Männer und Frauen aufmerksam, als Christopher die Grundzüge des Plans darlegte.
»Ich weiß nicht, inwieweit das allgemein bekannt ist, aber die Herstellung moderner Computerchips ist eine extrem empfindliche und fehleranfällige Angelegenheit«, erklärte er. »Im Prinzip bräuchte man nur eine Handvoll Sand oder so was in die Maschinen zu werfen, um sie lahmzulegen. Allerdings nicht für lange. Da hochgradige Sauberkeit im Herstellungsprozess so wichtig ist, sind die Produktionsanlagen so gebaut, dass man sie auf einfache Weise gründlich reinigen kann. Sie zu zerstören, ist deswegen entschieden wirkungsvoller.«
Er tippte mit dem Zeigefinger auf Elemente eines Schaubildes, das den Weg eines Computerchips vom Rohmaterial bis zum fertigen Bauteil zeigte. »Die besten Angriffspunkte sind die Maschinen, in denen die Silizium-Rohlinge poliert werden, bis sie die benötigte extrem glatte Oberfläche aufweisen.« Sein Finger wanderte weiter. »Sie werden anschließend hier beschichtet und hier mit dem Schaltplan belichtet. Belichtungsanlagen sind leicht zu demolieren. Außerdem müssen wir natürlich unbedingt die Masterschablonen vernichten. Das Lager mit den Rohlingen am besten auch.«
»Und was an fertigen Chips vorhanden ist, nehmen wir mit«, sagte Kyle. »Damit veranstalten wir hier dann ein lustiges Barbecue.«
Dad griff nach einem Stift und zeichnete ein paar Kreuze in den Bauplan ein. »Das heißt, Sprengkörper hier, hier und hier.«
Hoch über ihnen in der Nacht schrie ein Vogel. Serenity hob den Kopf. Ein Adler? Früher hatte sie jede Menge Tiere an den Lauten erkannt, die sie von sich gaben, doch sie hatte fast alles vergessen.
»Maschinen kann man reparieren oder ersetzen«, wandte eine untersetzte Frau ein. »Und diese Masterschablonen wird die Kohärenz sicher auch wieder auftreiben können, oder?«
Christopher nickte. Er stand mit hochgezogenen Schultern da, fühlte sich sichtlich unwohl im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit – aber unter dieser Unsicherheit, meinte Serenity, eine unglaublich zähe, geradezu stählerne Entschlossenheit zu spüren.
Dieser Junge, rief sie sich in Erinnerung, hatte schon einmal die Welt aus den Angeln gehoben. Warum sollte er es nicht auch ein zweites Mal schaffen?
Dad nickte der Fragerin zu. »Das ist richtig. Wir werden die Kohärenz nur bremsen können, nicht ausschalten. Aber damit gewinnen wir Zeit für weitere Schritte. Und damit das möglichst viel Zeit ist, hat sich Christopher noch etwas Raffiniertes ausgedacht; eine Aufgabe, die Nick übernehmen wird. Nick? Dein Part.«
Nicholas Giordano sog geräuschvoll die Luft zwischen den Zähnen ein, ehe er den Mund öffnete. »Die Chipherstellung spielt sich komplett in hochreinen Räumen ab, das habt ihr ja gehört. Hochreine Räume sind so sauber, dagegen ist die frisch geputzte Wohnung meiner Mutter eine Müllhalde – und das will bei meiner Mutter was heißen. Selbst ein OP ist tausendmal staubiger als so ein Reinraum. Der heikelste Punkt ist dabei logischerweise die Luftfilteranlage. Die befindet sich hier«, sagte er und setzte einen seiner Wurstfinger auf den Bauplan.
Alle reckten die Hälse. Nick deutete auf einen Raum, der fast das Doppelte der eigentlichen Fabrikationshalle ausmachte.
»Ziemlich groß«, meinte jemand.
»Ja, ziemlich groß«, bestätigte Nick und scheuchte eine vorwitzige Mücke fort, die seinen Finger umschwirrte. »Die Luftfilter werden von unserem Anschlag scheinbar völlig unberührt bleiben – es handelt sich ja nur um eine bessere Klimaanlage, nicht wahr? –, tatsächlich aber sabotieren wir sie. Ich, genauer gesagt.«
»Und was bringt das?«, rief eine junge Frau aus dem Hintergrund. Serenity erkannte Ann, die am Tag ihrer Ankunft Vorposten gespielt hatte.
»Eine extrem hohe Ausschussrate nach Wiederaufnahme der Produktion. Und sie werden nicht so leicht draufkommen, wie der Staub in den Luftstrom gelangt«, verkündete Nick selbstbewusst. »Ich habe die Pläne der Anlage studiert und mir ausgedacht, dass ich hier, an der Zufuhr der -«
»So genau«, unterbrach ihn Dad, »wollen wir es, glaube ich, gar nicht wissen.«
Nick zog einen Schmollmund. »So? Na ja. Jedenfalls, ich werde die Kohärenz zum Fluchen bringen. Im Chor.«
»Wird sich lustig anhören.« Dads Lächeln sah eher gequält aus, fand Serenity. Sie wusste, dass er sich Sorgen machte, ob sie
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