Kohärenz 01 - Black*Out
vorgehen.«
Kyle sah ihn an, schien eine heftige Antwort schon auf der Zunge zu haben, doch dann sagte er nur: »Ach, vergesst es einfach.« Für einen Moment dachte Serenity, er würde aus dem Zelt stürmen, doch dann setzte er sich einfach wieder neben sie und starrte düster auf den Boden.
Dafür wurden nun Melanies Augen auf einmal groß. »Handeln? Was meinst du damit, Jerry?«
Dad machte eine Geste in Richtung Wald. »Ganz unerfahren in Sachen Sprengstoff sind wir nicht. Bisher war es zwar nur der eine oder andere Felsen, den wir aus dem Weg gesprengt haben, aber so groß dürfte der Unterschied zu einer Maschine nicht sein.«
Dr. Lundkvist zog ein angesäuertes Gesicht. »Ich möchte starke Vorbehalte anmelden«, erklärte er. »Einen Felsüberhang zu sprengen, der ohnehin abzurutschen droht, ist nicht ansatzweise dasselbe, wie eine Fabrik zu zerstören. Noch dazu mitten in einem der prominentesten Industriegebiete der Welt.«
Melanie nickte heftig. »Da hat Neal recht. Wir reden hier von einer regelrechten Kommandoaktion! Du hast es eben selbst gesagt – damit würden wir genau zu den Kriminellen, die sie in uns sehen wollen.«
»Aber kapierst du denn nicht?« Kyle brauste wieder auf. »Wir haben doch überhaupt keine andere Wahl! Wir müssen uns wehren!« Serenity merkte zum ersten Mal, dass er Dads Freundin so wenig leiden konnte wie sie. »Oder was willst du machen? Die Polizei rufen vielleicht?«
»Vielleicht ist dir schon mal aufgefallen«, versetzte Melanie heftig, »dass wir nun mal keine Marines, kein SWAT-Team, keine Bombenleger sind. Die meisten von uns sind einfach nur Aussteiger, Nomaden, Künstler …«
»So ganz stimmt das nicht«, sagte Dad. »Denk an Finn. Oder Brian – frag den mal, was der in seiner aktiven Zeit bei Greenpeace alles angestellt hat. Und Russel. Der war nicht nur bei den Marines, der war in zwei Kriegen im Einsatz.«
»Angry Snake«, sagte John Two Eagles. »Er ist noch jung, aber er ist ein Krieger im Herzen.«
Melanie schüttelte den Kopf. »Ihr wollt allen Ernstes losziehen und Bomben legen? Also, ehrlich gesagt -«
»Ehrlich gesagt, Mel«, fuhr ihr Kyle noch einmal dazwischen, »ich wünschte, du würdest auch mal zwei Leuten gegenüberstehen, die im Chor zu dir sprechen! Ich wünschte, du würdest das mal selber erleben. Dann wüsstest du, dass man was dagegen tun muss!«
»Kyle.« Dad sah ihn bittend an. »Nicht in diesem Ton, okay? Wir versuchen hier alle, zur richtigen Entscheidung zu kommen – aber jeder auf seine Art.«
Melanies Gesicht war eine starre Maske. »Du missverstehst mich nur zu gern, Kyle, nicht wahr? Was ich sagen will, ist einfach, dass mir wohler wäre, wenn wir dieses verdammte Rechenzentrum tatsächlich in die Luft gejagt hätten, wie sie es uns vorwerfen. Weil wir dann wenigstens genau wüssten, wie man so etwas macht!«
Dad legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. »Wir wissen, wie man so etwas macht, Mel.«
»Ach ja? Und woher?«
Er seufzte. »Ich habe nicht nur alle Zeitungsartikel über die Attentate gesammelt, die man uns zuschreibt, ich habe mir auch den offiziellen Untersuchungsbericht beschafft, der dem zuständigen Gericht und den Ermittlungsbehörden vorliegt. Darin wird haarklein beschrieben, wie wir es angeblich gemacht haben. Und da er von namhaften militärischen Experten verfasst wurde« – er hob in seiner unnachahmlichen Weise die Augenbrauen –, »brauchen wir das alles einfach nur nachzumachen. Im Grunde genommen ist es die perfekte Anleitung.«
66 | Die nächste Besprechung fand am Abend des darauffolgenden Tages statt. Da Informationen, die nur Christopher im Gedächtnis hatte, den anderen nichts nützten, waren sie noch einmal losgefahren, diesmal in die Stadtbibliothek von Black Bay. Mithilfe der dortigen Internet-PCs hatten sie Ausdrucke von Google Maps angefertigt, die die Umgebung der fraglichen Fabrik zeigten, ferner sich aus diversen Datenbanken die offiziellen Baupläne des Gebäudes besorgt. Außerdem hatten sie eine gute Landkarte von San Francisco und Umgebung gekauft.
All das lag nun auf drei Campingtischen nebeneinander ausgebreitet. Da der Regen weitergezogen war, fand die Lagebesprechung wieder an der Feuerstelle statt, im Schein einer Glühbirne, die man an einem der Dreibeinstative über dem Tisch aufgehängt hatte. Die Reparatur des Generators schien geklappt zu haben, die Birne flackerte kein einziges Mal. Zahllose Insekten umschwirrten sie begeistert.
Diesmal fehlte bis auf eine
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