Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kohärenz 01 - Black*Out

Titel: Kohärenz 01 - Black*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Kein einziges Wort ist wahr.«
    »Was?«, fragte Serenity zurück. »Wer?« Sie schlief noch halb und wäre am liebsten gar nicht aufgewacht. Sie hatte von einem Jungen aus ihrer Klasse geträumt, Brad Wheeler, für den alle Mädchen schwärmten und der im wirklichen Leben kaum wahrnahm, dass sie überhaupt existierte. Sie war nun mal beim besten Willen nicht das All American Girl, auf das die Brad Wheelers dieser Welt standen.
    »Alle. Im Fernsehen, in den Zeitungen, im Internet …«
    Allmählich kam Serenity zu sich. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Sie begriff, dass Mutter völlig außer sich war. So etwas merkte man ihr selten an; irgendwie schaffte sie es normalerweise, immer gleich zu wirken, egal, was in ihr vorging.
    »Im Fernsehen?«, wiederholte Serenity. »Sie reden über Dad im Fernsehen?«
    »Sie lügen über deinen Dad im Fernsehen.«
    »Und was sagen sie?«
    »Kein wahres Wort. Es ist alles Betrug. Miese Propaganda, weiter nichts.«
    Serenity spürte den Impuls, mit den Füßen aufzustampfen und ihre Mutter zu packen und zu schütteln. Nichts davon tat sie, aber sie schrie: »Verdammt noch mal! Was ist eigentlich los?«
    Mom erstarrte, ihr Gesicht eine ausdruckslose Maske. Dann fielen ihre Schultern herab, ein schmerzvoller Ausdruck erschien in ihren Augen. »Was soll’s«, seufzte sie. »Du erfährst es ja doch.« Sie drehte sich herum und schaltete den Fernseher ein.
    Es war das Topthema auf ungefähr der Hälfte aller Kanäle.
    Ein Bombenanschlag auf ein Rechenzentrum in North Carolina. Zerfetzte Wände, Menschen mit rußigen Gesichtern, die durch schwelende Trümmer irrten, verletzt, die Kleidung zerrissen. Feuerwehrleute, die löschten, mit entschiedenen Handzeichen Rettungsarbeiten dirigierten, Bahren trugen.
    Das Rechenzentrum habe im Auftrag der Regierung wichtige Datenbanken geführt, sagte ein Sprecher. Natürlich gebe es Backups, nichts sei verloren, der Anschlag sinnlos.
    Die Bombe habe den Firmenkindergarten zum Einsturz gebracht, erklärte eine Sprecherin, die Kinder seien verletzt, viele davon schwer.
    Und dann ein Bild von Dad, eine Fotografie, auf der Serenity ihn kaum erkannte, weil er darauf aussah wie ein Verrückter.
    »Jeremiah Jones«, sagte ein Moderator mit sonorer Stimme, »von seinen Anhängern auch ›der Prophet‹ genannt, wurde bekannt als Autor erfolgreicher Bücher, in denen er den modernen Lebensstil anprangerte und vor den Gefahren einer überhandnehmenden Technik warnte. Weniger bekannt ist, dass er schon in jungen Jahren an teilweise gewalttätig verlaufenden Protestaktionen teilgenommen hat und dabei auch mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist. Seine letzte öffentliche Äußerung war die Erklärung, sich als Selbstversorger aufs Land zurückzuziehen, danach wurde es still um ihn – bis heute. Der Mann, der lange Zeit vielen als kluger Denker und Mahner galt, hat offenbar jene Linie überschritten, die zwischen Außenseitertum und Extremismus verläuft.«
    Es existiere ein Bekennerschreiben, schloss der Sprecher den Bericht ab. Das FBI habe Jeremiah Jones in die Liste der zehn meistgesuchten Personen aufgenommen.
    Jeremiah Jones, Terrorist.
    Serenity spürte, wie ihre Knie nachgaben. Sie musste sich am Küchenbord festhalten und auf einen der Hocker davor setzen.
    »Terrorist!«, stieß sie hervor, fassungslos.
    »Sie lügen«, sagte Mom.
    »Und das Bekennerschreiben?«
    »Gefälscht.«
    Serenity hatte das Gefühl, verlernt zu haben, wie man atmete. Sie legte die Hand auf ihre Brust, spürte ihr Herz schlagen wie eine Trommel. »Woher willst du das wissen? Die können doch so etwas nicht einfach behaupten!«
    »Doch. Können sie. Tun sie. Die ganze Zeit. Sie -«
    »Mom!«
    Serenity hatte die Hand hochgerissen, und ihre Mutter war mitten im Satz verstummt.
    »Was«, fragte Serenity mühsam, während sie spürte, wie ihr die Tränen kamen, Tränen schieren Entsetzens, »wenn es stimmt?«

 
    11 | Die Erinnerungen rollten heran wie eine Woge, spülten sie fast weg. Das Haus, in dem sie gelebt hatten, als sie ein Kind gewesen war. Das Haus aus Holz, das nach Sägemehl, Holzasche und nach den Gewürzen gerochen hatte, die Mom in der Küche in dicken Bündeln unter die Decke gehängt hatte. In der dunklen, geheimnisvollen, immer nach gutem Essen duftenden Küche mit den zerkratzten Möbeln. Der Wald, der hinter dem Haus begonnen hatte, um nicht mehr zu enden, der See, zu dem man nur gelangte, wenn man den richtigen Pfad nahm. Die Tiere, die man beobachten konnte,

Weitere Kostenlose Bücher