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Kohärenz 01 - Black*Out

Titel: Kohärenz 01 - Black*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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seine eigenen Ausführungen darüber, was für ein Hass aus diesen Zeilen spräche. Serenity starrte ihn mit dem deutlichen Gefühl an, dass entweder er oder sie übergeschnappt sein musste. Hass? Sie kannte dieses Buch besser als ihr Lehrer, und sie las darin nichts als Sorge!
    Sie erinnerte sich, wie Dad ihnen diese Zusammenhänge das erste Mal erklärt hatte. Es war um die Frage gegangen, ob Kyle und sie auch Mobiltelefone kriegen könnten, wie es damals an der Schule gerade in Mode gekommen war.
    Sie hatten eine Kanutour gemacht, waren abends am Lagerfeuer gesessen, nur sie vier in der anbrechenden Nacht und niemand sonst, keine Menschenseele im kilometerweiten Umkreis. »Spürt ihr den Zauber? Die Magie der Einsamkeit?«, hatte Dad gefragt. Sie hatten genickt, ergriffen von der Atmosphäre, die das Rauschen des Waldes und die vereinzelten Tierlaute hier und da schufen.
    »Würde dieser Zauber nicht verschwinden«, hatte Dad weitergefragt, »wenn jetzt, hier, ein Telefon klingeln könnte? Es müsste nicht einmal wirklich jemand anrufen – es würde genügen, wenn jemand anrufen könnte. Schon wäre der Zauber verflogen. Weil wir dann nicht mehr ganz hier wären, sondern zu einem Teil auch noch anderswo.«
    So war es gekommen, dass Serenity immer noch kein Mobiltelefon besaß, als Einzige in der gesamten Schule.
    Bis jetzt hatte sie deswegen als verschroben gegolten. Kein Tag, an dem nicht jemand zu ihr sagte: »Ich ruf dich … ach so, du hast ja kein …«, daraufhin verstummte und sie pikiert ansah, vorwurfsvoll beinahe. Spielverderberin. Außenseiterin.
    Immer wieder fand sie in ihrem Spind Prospekte, die ihr irgendjemand durch den Schlitz geschoben hatte und die ganz superbillige Telefone anboten, für einen Dollar oder gleich umsonst. Zumindest, wenn man das Kleingedruckte nicht las.
    Vielleicht, überlegte Serenity, war sie von jetzt an verdächtig.
    Denn es blieb nicht bei dem Anschlag in North Carolina. Ein paar Tage lang ging es Schlag auf Schlag. Ein weiteres Rechenzentrum in West Virginia und drei Sicherheitsfirmen in New Jersey, in deren Tresoren die Backups der Daten aufbewahrt worden waren. Ja, räumte ein Sprecher des zuständigen Ministeriums zerknirscht ein, man habe nicht schnell genug reagiert; es seien tatsächlich einige wichtige Datenbestände unwiederbringlich verloren.
    Und an allem sollte Serenitys Dad schuld sein.
    In den Nachrichten wurden sie allmählich richtig panisch. Alle möglichen Gerüchte kamen auf. Angeblich planten Jeremiah Jones und seine Leute, Silicon Valley zu zerstören, das Herz der amerikanischen Computerindustrie. Experten äußerten sich, welche Art von Bomben dazu imstande wären, und weil Silicon Valley keine Autostunde entfernt lag, gab es im Lokalfernsehen hitzige Diskussionen darüber, ob auch Santa Cruz von einem solchen Anschlag betroffen wäre.
    Serenity durchlebte diese Wochen wie in Trance. Sie ging zur Schule mit dem Gefühl zu träumen, schrieb im Unterricht mit, ohne ein einziges Wort zu verstehen – genauso gut hätte sie Girlanden und Arabesken in ihr Heft malen können. Sie antwortete, wenn jemand sie etwas fragte, und stand dabei die ganze Zeit neben sich. Sie kam aus der Schulkantine und wusste nicht mehr, was sie gerade gegessen hatte. Es war einfach alles nur schrecklich.
    Und sie schrieb Tests, ohne zu wissen, was sie tat. Das war es schließlich, was sie wieder zur Besinnung brachte, wenn auch auf unsanfte Weise.
    Sie bekam ein F in Mathematik.
    »Was ist los mit dir?«, fragte ihr Lehrer, als er ihr die Arbeit aushändigte.
    Serenity blätterte fassungslos durch die Seiten. Sie erinnerte sich nicht einmal mehr daran, das geschrieben zu haben! Da stand nur totaler Unsinn!
    Sie hatte das Gefühl, wochenlang geschlafwandelt und nun plötzlich aufgewacht zu sein. Was war bloß in sie gefahren? Das F brachte ihren Notenschnitt so weit nach unten, dass sie bis zum Ende des Schuljahrs kein B mehr erreichen würde. Und sie war im Seniors-Jahr; das nächste Zeugnis würde ihr Abschluss sein.
    In Kombination mit ihren übrigen Noten hieß das, dass sie sich Hoffnungen auf ein Stipendium fürs College abschminken konnte.
    Und wie sollte sie ohne Stipendium studieren?
    Ihr ganzes Leben war dabei, den Bach runterzugehen.

 
    13 | Serenity versuchte, ihren Bruder zu erreichen, aber Kyle – der ebenfalls ohne Mobiltelefon lebte – schien nie zu Hause zu sein. Er besaß zwar eine E-Mail-Adresse, doch er schaute so selten in sein Postfach, dass man es

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