Kohärenz 01 - Black*Out
glaube, du verwechselst mich mit jemandem.«
Der Junge nahm eine Handvoll Sand auf, und während er zusah, wie die Körner in feinem Strom zwischen den Fingern hindurchrannen, zählte er auf: »Dein Name ist Serenity Jones. Du bist siebzehn Jahre alt, gehst auf die Santa Cruz Highschool und lebst mit deiner Mutter Lilian Jones, geborene Taylor, in 280 Windham Street. Du hast einen Bruder namens Kyle, der Umweltwissenschaften an der Universität von San Francisco studiert. Dein Vater heißt Jeremiah Jones, wird von manchen Leuten der Prophet genannt und vom FBI in Zusammenhang mit Bombenanschlägen auf Rechenzentren in North Carolina, West Virginia und New Jersey gesucht.«
Trotz der prallen Sonne lief Serenity eine Gänsehaut über den Rücken. »Woher weißt du das?«
Er strich sich den restlichen Sand von der Handfläche. »Stimmt es etwa nicht?«
Wer war der Kerl? Auf jeden Fall war er fremd hier, so blass, wie er aussah. Ein Bewohner von Santa Cruz – überhaupt jeder Bewohner Kaliforniens – wäre um diese Jahreszeit braun gewesen. Und er hätte an einem Tag wie diesem kein dickes Sweatshirt getragen und wahrscheinlich auch keine lange Hose.
»Es gefällt mir nicht«, erklärte Serenity, »dass du so viel über mich weißt. Ich kenne nicht mal deinen Namen.«
Er blinzelte nervös. »Sorry. Ich heiße Christopher. Christopher Kidd.« Er begann, an einem Stein herumzupulen, der vor ihm im Sand steckte. »Ich komme aus Europa. Aus England, um genau zu sein. Ich könnte dir auch erzählen, wo ich zuletzt gewohnt habe und in welche Schule ich gegangen bin, aber das ist alles nicht mehr aktuell. Ich bin auf der Flucht, und ich glaube nicht, dass ich je wieder zurückkehren werde.«
Ein Ausreißer? Wohl eher ein Angeber.
»Und was hast du angestellt, dass du abgehauen bist?«
Er hatte den Stein freigelegt, schleuderte ihn in Richtung Wasserlinie. »Weißt du, was ein Hacker ist?«
Serenity verdrehte die Augen. »Gibt’s jemanden, der das nicht weiß? Einer, der in fremde Computer eindringt.«
Er nickte. »Der Computer an eurer Schule ist gut organisiert. Ich habe nur fünf Minuten gebraucht, um rauszufinden, dass du neulich ein F in Mathematik geschrieben hast.« Er deutete auf ihr Physikbuch. »Deswegen die Strandlektüre, nehme ich an. Du willst mit Physik ausgleichen.«
Serenity hatte das Gefühl, rot anzulaufen. »Das ist nur passiert, weil mich diese blöden Nachrichten über meinen Vater völlig konfus gemacht haben. Normalerweise schreibe ich in Mathe mindestens ein B, meistens sogar ein A …« Sie hielt inne. Wie kam sie dazu, sich zu verteidigen? Das ging diesen Kerl doch nun wahrlich nichts an.
Und ganz davon abgesehen …
»An meiner Schule«, sagte sie misstrauisch, »weiß niemand, wer mein Vater ist. Also kann sein Name auch nicht im Computer stehen.«
»Da steht er auch nicht«, gab Christopher zu. »Deine persönlichen Daten habe ich aus der Computerakte, die das FBI über dich führt.«
15 | Serenity musste gegen das Gefühl ankämpfen, etwas ganz und gar Unwirkliches zu erleben. Würde sie jeden Moment aufwachen? Womöglich. Andererseits war der Sand echt, auf dem sie saß, die Sonne blendete, der aufkommende Wind zerrte an ihren Haaren, in denen er reichlich Angriffsmöglichkeiten fand …
Sie blinzelte, versuchte, cool zu bleiben. »Das FBI führt eine Akte über mich? Wusste ich gar nicht.«
Er hob eine Augenbraue. »Na klar führen die eine Akte über dich. Du bist immerhin die Tochter eines gesuchten Terroristen.«
Seltsam. Da hatte sie sich all die Wochen innerlich gewappnet gegen den Moment, in dem irgendjemand sie auf ihren Vater ansprach, hatte sich zurechtgelegt, was sie sagen würde, wenn jemand einen dummen Witz mit ihrem Nachnamen machte oder sie direkt fragte, ob sie mit Jeremiah Jones verwandt sei … Und nun merkte sie, dass sie nicht gewillt war, ihren Vater zu verleugnen. Egal, was Mom ihr geraten hatte.
»Na und?« Sie bemühte sich, ihre Stimme nicht zittern zu lassen. »Es ist nicht strafbar, die Tochter eines gesuchten Terroristen zu sein.«
»Das FBI wirft dir auch nichts vor«, sagte der merkwürdige Junge. »Die hoffen, über dich an ihn ranzukommen.«
»Und das weißt du, weil du dich in deren Computer gehackt hast?«
»Yep.«
»Tja.« Serenity verschränkte die Arme. »Da werden sie Pech haben. Ich habe keine Ahnung, wo mein Vater ist.«
Er verzog das Gesicht, als hätte er plötzlich Zahnschmerzen. »Das wollte ich jetzt nicht
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