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Kohärenz 01 - Black*Out

Titel: Kohärenz 01 - Black*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Serenity atmete auf, als sie endlich zu Hause war. Was für ein Albtraum! Sie war gerannt, zur Bushaltestelle erst und dann, als sie gesehen hatte, dass sie auf den nächsten Bus vierzig Minuten würde warten müssen, weiter zur Haltestelle einer anderen Linie. Sie hatte Haken geschlagen, war kreuz und quer durch Wohnsiedlungen gewandert, hatte versucht, gesehen zu werden … Mit einem Gefühl unendlicher Erleichterung schloss sie die Tür hinter sich. Verschwitzt, aber in Sicherheit.
    Mom war nicht da, und das war ihr im Augenblick nur recht.
    Erst mal unter die Dusche. Serenity duschte lang und ausgiebig, versuchte, den Schrecken und die Panik aus ihren Poren zu spülen, und fiel anschließend, in ihren liebsten Bademantel gewickelt, völlig k.o. aufs Bett.
    Sie schloss die Augen, aber das funktionierte nicht; mit geschlossenen Augen merkte sie nur umso deutlicher, wie sehr ihre Nerven immer noch flatterten. Sie hob die Arme, betrachtete ihr linkes Handgelenk. Der Griff dieses Idioten hatte blaue Flecken hinterlassen. Ein Andenken, auf das sie gerne verzichtet hätte.
    Die Haustür wurde aufgeschlossen, das Rascheln von Papiertüten war zu hören. Also war Mom – sie leitete die Bücherei in Live Oaks – auf dem Heimweg noch im Supermarkt gewesen.
    »Ich bin da!«, rief Serenity.
    Mom streckte den Kopf herein. »Was ist denn mit dir los?«, fragte sie.
    »Ich hatte einen schrecklichen Tag«, erklärte Serenity.
    »So«, sagte Mom. »Na, ich mach uns was zu essen.«
    Und damit klappte die Tür zu.
    Typisch Mom. Schon immer waren Schokokekse die Therapie für aufgeschürfte Knie gewesen und Hühnersuppe das Heilmittel für Sonnenbrand oder Wespenstiche. Später hatte selbst gemachte Pizza gegen Liebeskummer helfen müssen und Apfelkuchen gegen Heimweh.
    Eigentlich, überlegte Serenity, müsste ich viel dicker sein. Sie wickelte sich aus dem pinkfarbenen Frottee und prüfte ihre Hüften kritisch.
    Na ja. Besser zu dünn als zu dick.
    Abends meldete sich ihr Bruder endlich. Er war zurückgekommen, von wo auch immer, und hatte ihre Nachricht auf seinem Anrufbeantworter vorgefunden.
    »Es ist wegen Dad«, sagte Serenity. »Hast du mitgekriegt, was über ihn gesagt wird?«
    »Ich war nicht hinterm Mond unterwegs, wenn du das meinst«, erwiderte Kyle schlecht gelaunt.
    »Ich hab heute -« Serenity hielt inne. Sie hatte Kyle von Christopher erzählen wollen, aber gerade war ihr wieder eingefallen, dass der behauptet hatte, sie würden vom FBI überwacht. Was ihr inzwischen nur wahrscheinlich vorkam. Wie naiv sie gewesen war! Und das hieß dann ja wohl auch, dass man ihre Telefone angezapft hatte. »Ich würde gern mit dir reden«, sagte sie stattdessen.
    »Tust du doch«, sagte Kyle.
    »Nicht am Telefon.«
    Kyle überlegte. »Ich könnte morgen zu euch runterfahren«, meinte er schließlich. Man spürte durchs Telefon hindurch, wie wenig Lust er dazu hatte.
    »Mom würde sich auch freuen, dich mal wiederzusehen«, sagte Serenity.
    »Jaja.« Man konnte förmlich hören, wie er sich wandte. »Sagen wir, so gegen fünf. Okay?«
    »Okay«, sagte Serenity rasch. »Du bist mein liebster Bruder, übrigens.«
    Das entlockte ihm wenigstens noch ein leises Lachen, ehe er auflegte.
    In dieser Nacht schlief Serenity schlecht. In wilden Träumen war es diesmal der Junge vom Strand, Christopher, der nach ihr griff und sie zu schnappen versuchte. Verfolgt von FBI-Beamten irrte sie durch die Schule, öffnete Türen, suchte den Computerraum und fand ihn nicht, saß aber irgendwann der Direktorin gegenüber, angestrahlt von einer Verhörlampe, und Mrs Horseshoe fragte immer wieder: »Was weißt du über Christopher Kidd? Was hat er mit den Computern gemacht?«
    Sie wachte viel zu früh auf – draußen war es noch dunkel –, lag wach und fragte sich, was dieser Traum zu bedeuten haben mochte.
    Nichts, beschloss sie trotzig. Im gleichen Moment klingelte ihr Wecker.
    In der Schule lief alles bestens. Die Sonne schien, die Lehrer waren zu Scherzen aufgelegt, jeder freute sich auf den bevorstehenden Springbreak. Kurzum – der perfekte Tag.
    Doch gerade deswegen war Serenity unheimlich zumute. Vielleicht, weil sie zu wenig geschlafen hatte und der Schreck von gestern ihr noch in den Knochen steckte. Oder vielleicht, weil das in Filmen immer so war – je harmloser sich die Szenerie darbot, desto schlimmer das Unglück, das gleich darauf in die Idylle einbrach. Jedenfalls wuchs mit jeder Minute die Gewissheit in ihr, dass sich unter der

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