Kohärenz 01 - Black*Out
Freaks, die sich Chips einpflanzen oder Minikameras oder was auch immer, die gibt es schon seit zwanzig Jahren, aber das sind eben Freaks, verstehst du? Arme Irre. Sensationsgeile Geeks. Auf jeden Fall keine Leute, die mal eben eine Staffel Kampfhubschrauber losschicken können.«
Christopher nickte, sagte aber nichts. Was sollte er sagen? Dass für die Macht, mit der sie es zu tun hatten, ein paar Kampfhubschrauber loszuschicken, noch eine der leichtesten Übungen war?
»Und vor allem«, schloss Kyle und trank seinen Kaffee aus, »verstehe ich nicht, was an dir in deren Augen so wichtig sein soll. Das wüsste ich wirklich gerne.«
Ich auch, dachte Christopher.
»Ich kann erzählen, wie es angefangen hat«, schlug er zögernd vor.
Kyle drehte einen der Stühle herum und setzte sich, die verschränkten Unterarme auf die Lehne gestemmt. »Okay. Schieß los!«
Christopher schüttete sich umständlich Cornflakes nach, goss Milch hinterher. Er brauchte ein bisschen Zeit, um seine Gedanken zu ordnen.
»Ich hab euch ja schon erzählt, wie Linus, mein Vater und ich an der Entschlüsselung des Sehnervs gearbeitet haben«, begann er schließlich. »Am Anfang dachten wir, wir arbeiten an einem einzigartigen Projekt – einem Problem, an das sich noch niemand sonst auf der Welt gewagt hat. Aber ich habe irgendwann bemerkt, dass Dr. Connery in einer abschließbaren Schublade seines Schreibtischs eine Mappe aufbewahrte, in die er ab und zu etwas hineinlegte – einen Zeitungsausschnitt, einen Ausdruck einer Internetseite, solche Dinge. Und mir fiel auf, dass er immer, nachdem er etwas in diese Mappe gesteckt hatte, besonders nervös war. Hektisch. Dass es ihm dann immer nicht schnell genug ging.«
»Lass mich raten«, sagte Serenity. »Eines Tages hast du das Schloss geknackt und nachgeguckt, was in der Mappe ist.«
»Genau. Es waren Berichte über andere Forschungsgruppen, die sich ebenfalls mit der Frage beschäftigten, wie man Computer und Gehirn direkt miteinander koppeln kann. Brain-Computer-Interfaces war der offizielle Fachausdruck, abgekürzt BCI. Es gab mittlerweile über zweihundert solche Projekte, überall auf der Welt. Ich erinnere mich, dass obenauf ein Zeitschriftenartikel über ein Projekt der Technischen Universität Berlin lag. Dort setzten sie Leuten enge Gummikappen mit eingelassenen Elektroden auf den Kopf, und die konnten dann per Gedanken einen Flipperautomaten steuern. Sie brauchten nur links oder rechts zu denken, um den entsprechenden Hebel am Automat zu bewegen.«
»Erfindungen, die die Welt nicht braucht.« Kyle rollte mit den Augen.
»Ach, ich weiß nicht«, meinte Serenity nachdenklich. »Es müsste ja nicht ein Flipperautomat sein. Auf dieselbe Weise könnte man auch … was weiß ich, einen Rollstuhl steuern oder so etwas.«
Christopher warf ihr einen anerkennenden Blick zu. »Das ist genau der Punkt. Die Wissenschaftler in Berlin wollten ähnlich wie wir irgendwann Prothesen steuern. Das letztendliche Ziel war, die Kommunikation mit sogenannten Locked-In- Patienten herzustellen, mit Leuten, die völlig gelähmt sind, weder sprechen noch die Augen bewegen können.«
Kyle gab ein kurzes Schnauben von sich. »Okay. So gesehen wäre das ja eine gute Sache. Wenn es dabei bleibt.« Er hob die Augenbrauen. »Und weiter? Hast du deinem Vater davon erzählt?«
»Ja, ich hab ihm die Mappe gezeigt und Linus auch. Dem war als Erstem klar, dass es um eine Art akademisches Wettrennen ging – Dr. Connery wollte das Problem nicht einfach nur lösen, er wollte es als Erster lösen.« Er aß einen Löffel Cornflakes, ehe die zu weich wurden, während er erzählte. »Wir haben ihn darauf angesprochen, und er hat es auch zugegeben. Er meinte, wer als Erster ein echtes Hirn-Computer-Interface realisiert, dem ist der Nobelpreis sicher.«
»War er nicht sauer, dass du seinen Schreibtisch geknackt hast?«, fragte Kyle.
Christopher schüttelte den Kopf. »Ich hab behauptet, er hätte die Mappe draußen liegen lassen. Er hat das sofort geglaubt, hat nur was gemurmelt von wegen, dass ein Mittel gegen Zerstreutheit auch eine gute Erfindung wäre.«
»Und wart ihr nicht sauer, dass ihr die Arbeit machen solltet, er aber den Nobelpreis kassieren wollte?«
»Er meinte, den würde man sich natürlich teilen.« Christopher hob die Schultern. »Was er nicht gesagt hat, war, dass ein Nobelpreis maximal auf drei Personen aufgeteilt wird. Wir waren aber zu viert.«
Serenity nickte. »Einer wäre also leer
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