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Kohärenz 01 - Black*Out

Titel: Kohärenz 01 - Black*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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irgendwelche Pflanzen vertieft, die dort in einem Trog aus hellem Marmor wuchsen.
    »Sagen wir’s mal so«, erwiderte Linus. »Es geht immer noch um die Schnittstelle, und es hat immer noch mit dem Internet zu tun – aber wir lassen diesen blöden Webbrowser, überhaupt die ganze Software weg. Alles überflüssig. Wir verbinden uns jetzt direkt, von Gehirn zu Gehirn.«
    Christopher schauderte, als er das hörte, trotz der schwülwarmen Nacht.
    »Wir?«, wiederholte Dad, hörbar irritiert. »Wer ist wir?«
    Linus nickte nur in Richtung Ayumis, die sich genau in diesem Moment herumdrehte und ihnen zuwinkte.
    »Und das funktioniert?«, fragte Dad.
    Zu ihrer grenzenlosen Verblüffung antworteten darauf Linus und Ayumi gleichzeitig – Linus halb laut, im Gesprächston, während seine Freundin herüberrief: »Und wie das funktioniert!«
    Einen Moment lang schien es Dad die Sprache verschlagen zu haben. Christopher konnte es ihm nicht verdenken; ihm war es selber eiskalt den Rücken heruntergelaufen.
    Schließlich sagte Dad: »Aber du weißt doch gar nicht, wie Gedanken codiert sind!«
    Linus lächelte spöttisch. »Stimmt, das weiß ich nicht. Aber der Witz ist: Das muss ich auch gar nicht wissen. Das andere Gehirn weiß es ja!«
    »Das andere …? Was heißt das? Was überträgst du denn?«
    »Impulse. Aktionspotenziale, wie man das bei Nervenfasern nennt. Eins meiner Neuronen feuert, der Impuls wandert die Nervenbahn entlang, erreicht das Interface, wird in ein Signal umgewandelt, das per TCP/IP, WiFi und Internet« – er deutete mit einem großen Schwung seines ausgestreckten Zeigefingers eine Flugbahn von seinem Kopf zu dem Ayumis an – »das andere Interface erreicht, dort wieder in ein Aktionspotenzial umgewandelt wird und über eine Nervenbahn weiter in das andere Gehirn wandert. And that’s it!«
    Dad stierte ins Leere, versuchte, das zu verarbeiten. »Wie soll das gehen? Du weißt doch überhaupt nicht, an welche Nervenbahnen du so ein Interface anschließen musst! Zumal das konkrete Geflecht der Neuronen bei jedem Menschen anders ist, sich unterscheidet wie ein Fingerabdruck vom anderen.«
    »Ja, aber das muss ich nicht wissen! Das ist ja das Geniale. Das tüftelt so ein Gehirn von selber aus. Das ist der Trainingseffekt, von dem ich damals gesprochen habe, erinnerst du dich? Gehirne sind lernfähig, ganz einfach, und ganz besonders das menschliche Gehirn. Wir können unser ganzes Leben lang Neues lernen – wir brauchen nur die entsprechende Anregung!« Linus fing an zu gestikulieren, schien bei seinem Lieblingsthema angelangt zu sein. »Es war das einfachste denkbare Experiment, so simpel, dass man erst mal drauf kommen muss: Wir haben uns gefragt, was eigentlich passiert, wenn wir all die Software weglassen und zwei Gehirne direkt miteinander koppeln. Ergebnis: Es passiert gar nichts. Erst mal jedenfalls. Tage vergehen, und du fühlst dich wie immer. Du vergisst völlig, dass da ein Experiment läuft. In unserem Fall war es ein Glück, dass wir es vergessen haben, denn wenn du an dieser Stelle den Stecker ziehst, dann verpasst du’s. Inzwischen wissen wir, dass wir nicht die Ersten waren, die das probiert haben, aber viele haben zu früh aufgehört. Du musst Geduld haben. Nach einiger Zeit – bei uns waren es, glaube ich, vier Wochen – passiert es, dass da plötzlich ein Gedanke ist, der nicht von dir stammt. Ein Gedanke, der von dem anderen zu dir rübergeflossen ist. Irgendwie. Keine Ahnung, wie das im Einzelnen vor sich geht; das sollen andere austüfteln, wenn sie wollen. Für mich zählt nur, dass es funktioniert. Und das tut es!«
    »Okay«, meinte Dad skeptisch. »Aber was hast du davon?«
    »Einklang«, sagte Linus. Nein, er sagte es nicht, er verkündete es geradezu. Er sprach es aus, als sei es ein heiliges Wort. »Es bleibt ja nicht bei gelegentlich auftauchenden Gedanken. Du verschmilzt mit dem anderen und der andere mit dir. Du musst nicht mehr diskutieren, du musst nicht mehr streiten – und zwar nicht, weil Konflikte und Missverständnisse unter den Teppich gekehrt werden, sondern, weil es keine mehr gibt! Nach einiger Zeit denkst du dasselbe wie der andere, du willst dasselbe wie der andere …« Er beugte sich in einer verschwörerischen Geste vor. »Und die Wirkung im Bett … also, dafür gibt es keine Worte!«
    Dad hüstelte peinlich berührt, nickte mahnend in Christophers Richtung. Linus fuhr herum, und dann blickten ihn die beiden so betreten an, als glaubten sie ernsthaft, er

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